Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Der Arzt der Adler
Mark Dorfmüller aus Ulm ist Teamarzt der Skispringer – Wellinger gewinnt Quali
ULM - Wenn die deutschen Skispringer am Samstag oben auf der Olympia-Schanze in Pyeongchang stehen, Anlauf nehmen und springen, dann beobachtet der Ulmer Sportmediziner Dr. Mark Dorfmüller die Sportler genau. Und aus nächster Nähe. Wenn sie sicher landen, entspannt sich der 52-Jährige – und wartet auf dem Schanzenkopf auf den nächsten deutschen Athleten. Trotz vieler Jahre als Teamarzt der deutschen Skispringer ist Dorfmüller nach wie vor sehr angespannt: Skispringen sei ein risikoreicher Sport. „Bei Stürzen bei diesen hohen Geschwindigkeiten können jederzeit sehr schwere Verletzungen auftreten“, sagt der Arzt. „Ich habe nach wie vor einen Riesenrespekt vor den Jungs, die dort hinunterfahren, abspringen und sich dann beim Flug so extrem nach vorn legen.“
Seit Mittwoch weilt Dorfmüller im Olympischen Dorf, ist Mitglied der deutschen Mannschaft. Für den Ulmer ist es die fünfte Olympiateilnahme. Die kommenden beiden Wochen verbringt Dorfmüller gemeinsam mit 15 deutschen Kollegen als Olympiaarzt in Pyeongchang: „Wir sind nicht nur für Sportverletzungen zuständig, sondern helfen auch bei alltäglichen Erkrankungen, wie Erkältung oder Magen-Darm-Problemen.“Eine eigene Apotheke hält die wichtigsten Medikamente bereit, kleinere Erkrankungen werden in einer Ambulanz behandelt. Weiter gebe es täglich ein „Doctors’ meeting“mit Besprechungen.
Der Ulmer ist vornehmlich für die Gesundheit der deutschen Skispringer verantwortlich: „Ich bin als leitender Teamarzt bei allen wichtigen Wettbewerben dabei, die Nominierung für Olympia ist natürlich etwas Besonderes“. Und sie ist langwierig. „Wir haben viel Zeit in die Vorbereitung gesteckt“, berichtet der Mediziner, „jetzt bin ich wahnsinnig froh, dass es keine Infekte und keine Verletzungen gegeben hat.“Den Wechsel Richtung Olympia leiteten die DSV-Adler bereits in Deutschland ein: Der letzte Wettkampf in Willingen fand am Sonntag um 10.20 Uhr statt, für Montag setzte Bundestrainer Werner Schuster morgens ein Training an, noch bevor es in den Flieger ging. In Südkorea bleibt nicht viel Zeit: Bereits am Samstag steht das Einzel auf der Kleinschanze an. Die Quali startete schonmal vielversprechend: Andreas Wellinger gewann nach einem Sprung auf 103 Meter mit 133,5 Punkten vor DoppelOlympiasieger Kamil Stoch (104,0 m/131,7) und schürte damit – gemeinsam mit Richard Freitag (129,1) als Vierter – erste Goldhoffnungen.
Zurück zu Dorfmüller: Der Facharzt kennt das Leben im Olympischen Dorf. In Pyeongchang bezieht er ein Appartement mit Athleten und Trainern. Er sei jedes Mal von der Atmosphäre begeistert, schwärmt der Arzt: „Es ist sehr spannend, mit so vielen Spitzensportlern aller Nationalitäten zusammenzuwohnen“. Und fachlich? „Für einen Sportmediziner sind Olympische Spiele natürlich das Highlight, er darf Top-Athleten betreuen.“Für den 52-Jährigen sind es die dritten Winterspiele. Als Teamarzt der deutschen Boxer hat er auch an zwei Sommerspielen teilgenommen: „Seit 2001 betreue ich die deutsche Box-Nationalmannschaft“, berichtet Dorfmüller, „Ende 2008 kam zusätzlich der Skiverband auf mich zu und bat mich, auch die Skispringer zu betreuen.“Beiden ansonsten sehr gegensätzlichen Sportarten sei gemeinsam, dass der Arzt die Ernährung der Sportler sehr gut
„Für einen Sportmediziner sind Olympische Spiele natürlich das Highlight, er darf Top-Athleten betreuen.“
Dr. Mark Dorfmüller
steuern müsse: „Beim Boxen und beim Skispringen kommt es aufs Gewicht und auf die Kraft an“, erläutert Dorfmüller. Der Skispringer bringe die Technik für den Sprung, den Flug und die Landung mit: „Und dann natürlich die psychisch-mentale Leistung für den perfekten Flug.“
Erfahrungen für die Sportmedizin bringt Dorfmüller aus zwei Jahrzehnten mit: Als Bundeswehr-Arzt war der Mediziner drei Jahre lang für die Sportler in Uniform zuständig, die in der Sportfördergruppe am Sportmedizinischen Institut der Bundeswehr im Schwarzwald aktiv waren. Zivil ging es weiter: Seit zehn Jahren führt Dorfmüller das Ulmer Therapiezentrum Rehaplus.
Der Mediziner wünscht sich, dass die Skispringer ihre Wettbewerbe verletzungsfrei absolvieren und die eine oder andere Medaille gewinnen. „Die Chancen sind sehr gut. Das Team ist in diesem Winter sehr erfolgreich“, glaubt der Sportmediziner. Die Skispringer würden gern ihr Mannschafts-Gold von Sotschi wiederholen, doch außer Andreas Wellinger und Richard Freitag sind alle anderen neu bei Winterspielen. „Das Potenzial haben wir, das haben wir schon öfter bewiesen. Wenn wir uns nicht stressen, klappt das auch ganz gut“, sagt Markus Eisenbichler überzeugt und selbstbewusst.