Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Westermayer teilt die Kritik an der Kanzlerin nicht
Der CDU-Stadtverbandsvorsitzende rät seiner Partei zu mehr Sachlichkeit
LEUTKIRCH - Die nächste Fahrt nach Berlin steht demnächst an. Waldemar Westermayer, bis zur vergangenen Bundestagswahl Abgeordneter für den Wahlkreis Ravensburg, wird am 26. Februar als Delegierter beim CDU-Bundesparteitag in der Hauptstadt sein. Der CDU-Stadtverbandsvorsitzende hofft dann auf eine sachliche Debatte über den mit der SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag. Die Diskussion um Angela Merkel, die Parteichefin und Kanzlerin, hält er zum jetzigen Zeitpunkt für „falsch“und schädlich.
Merkel wieder zur Kanzlerin wählen kann Westermayer nicht mehr. Den Entwurf zum Koalitionsvertrag aber hat er sehr genau gelesen und auch die bislang bekannte Ressortverteilung studiert. Trotz einiger noch offener Fragen kann er mit beiden Grundsatzentscheidungen leben. „Manchmal denke ich mir, dass die Kritiker einfach auch glauben, es müsse etwas gesagt sein.“Westermayer (64), der Landwirt aus Leutkirch, hält jedenfalls nichts davon, „an der Kanzlerin herumzumäkeln“. Ziel müsse sein, wieder eine stabile Regierung zu bilden und zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Einsatz für die Stabilität Europas voranzutreiben.
Aufweichung von Schäubles Kurs möglich
Auch Westermayer bedauert, dass Wolfgang Schäuble nicht mehr deutscher Finanzminister sein wird und schon vor den später gescheiterten Jamaika-Verhandlungen von Union, FDP und Grünen als Bundestagspräsident nominiert worden war. „Er hatte Statur, er kennt die internationale Bühne.“Die FDP habe letztlich aber früh Ansprüche für dieses so wichtige Ressort angemeldet – und dann die Verhandlungen mit den anderen Parteien für beendet erklärt. Wenn in Olaf Scholz, der bei einem Zustandekommen der nächsten Großen Koalition auf Schäuble folgen soll, ein SPD-Mann oberster Kassenwart der Republik werde und so eine Schlüsselposition bei Verhandlungen auf der EU-Ebene erhalte, dann geht auch Westermayer davon aus, dass Schäubles bisweilen harter, aber vernünftiger Kurs aufgeweicht werde. Andererseits sagt Westermayer auch: „Die Basis für die Politik regelt der Vertrag“, auf den jedes Kabinettsmitglied verpflichtet sei.
Doch Westermayer meint auch, der neue Kabinettszuschnittt sei nicht nur zulasten der Union gegangen. So hält er es für eine große Chance, in einem von der CDU geführten Wirtschaftsministerium, erweitert um Bereiche wie Energie und Wohnungsbau, neue Perspektiven für den Standort Deutschland zu entwickeln. „Es ist gewiss kein Fehler, dass auch die Integrationspolitik bei der CDU liegt.“Und warum solle ein Christsozialer nicht ein guter Innenminister sein? Horst Seehofer (CSU) ist dafür nominiert.
Nicht jeder Passus ausreichend formuliert
Nun hält auch Westermayer nicht jeden Passus, der aktuell ausgehandelt ist, für belastbar und ausreichend formuliert. Als Beispiel nennt er die Agrarpolitik. Wenn Deutschland einseitig die Standards hochsetze, dann aber aus dem Ausland Nahrungsmittel günstiger importiert würden, „dann wird das für einen Wettbewerbsnachteil sorgen“. Immer noch müsse oberstes Ziel für eine Nation sein, die Ernährung im eigenen Land sicherzustellen. Viel setzt er deshalb auch darauf, dass im Laufe der nächsten Legislaturperiode in den Ausschüssen Details noch exakter festgezurrt werden und die Koalitionsdisziplin eingehalten werde. Kurz vor der letzten Bundestagswahl habe da die SPD mit der „Ehe für alle“gegen die Absprachen gehandelt.
Ein wenig Mitleid empfindet Westermayer mit Martin Schulz, dem gescheiterten SPD-Spitzenkandidaten, der auch den Parteivorsitz abgeben muss: „Natürlich hat er eine unglückliche Figur auch durch seine Äußerungen und sein Taktieren in der Personaldiskussion abgegeben. Aber so einen Absturz nach der großen Euphorie hat er nicht verdient.“Die SPD müsse sich jetzt sammeln und aus Westermayers Sicht dann auch Angela Merkel schon im ersten Wahlgang als Kanzlerin bestätigen. Ganz so sicher ist sich Westermayer da aber auch mit Blick auf die Nörgler in den eigenen Reihen nicht.
Für ihn rückt jetzt als CDU-Fraktionschef im Leutkircher Gemeinderat die Kommunalpolitik wieder mehr in den Vordergrund. Noch muss sich auch seine Fraktion zum vorgelegten Haushaltsentwurf positionieren.