Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Dankeschön, Germany!“
„Shape of Water“räumt erwartungsgemäß ab bei der 90. Oscar-Gala
Der Sieger bei der 90. Oscar-Verleihung in Hollywood war mit vier Trophäen das Fantasy-Drama „Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“des mexikanischen Regisseurs Guillermo del Toro. Doch auch ein Deutscher jubelte: Gerd Nefzer (Foto: imago) aus Schwäbisch Hall erhielt den Oscar für die besten visuellen Effekte im Sciene-FictionFilm „Blade Runner 2049“und freute sich riesig. „Dankeschön, Germany! Thank you! Great!“, sagte der 52-Jährige.
Appelle zur Toleranz, zu Vielfalt und zugunsten von Minderheiten haben die 90. Oscar-Nacht in Los Angeles durchzogen. Und am Ende wurde sogar der Umschlag für den richtigen Film geöffnet: „The Shape of Water“.
Die nominierten deutschen Beiträge gingen weitgehend leer aus – sowohl der Kurzfilm „Watu Wote“von Katja Benrath und Tobias Rosen noch der Trick-Kurzfilm „Revolting Rhymes“von Jakob Schuh und Jan Lachauer erhielten Goldstatuen; das galt auch für die SWR-Produktion „Die letzten Männer von Aleppo“sowie den deutschen Komponisten Hans Zimmer und dessen Soundtrack von „Dunkirk“.
Immerhin gehört Gerd Nefzer aus Schwäbisch Hall zum Gold-Team für die Special Effects im Science-Fiction Drama „Blade Runner 2049“; der beste ausländische Film „Una mujer fantástica“(„Eine fantastische Frau“) aus Chile wurde von Maren Ades Firma Komplizen-Film coproduziert und hatte seine Weltpremiere auf der Berlinale 2017.
Die großen, die wichtigen Oscars? Allesamt erwartbar und meist auch in Ordnung. Frances McDormands Furie in „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“war ebenso favorisiert wie Gary Oldmans Winston Churchill in „Die dunkelste Stunde“, der allerdings und bezeichnenderweise nur einen weiteren Oscar erhielt, den fürs Make-up – wer’s nicht wusste, hätte Oldman in dieser Rolle nicht erkannt. So gesehen, ist der Preis auch einer für das Lebenswerk des Engländers. Das gilt wohl auch
für den großen Kameramann Roger Deakins („Blade Runner 2049“), der bei seiner 14. Nominierung endlich und verdientermaßen berücksichtigt worden ist. Eine Überraschung vielleicht der Oscar für Jordan Peele, Drehbuch-Autor (und Regisseur) von „Get Out“, eine kleine No-NameProduktion, der das Kunststück gelingt, einen Film über den alltäglichen Rassismus mit dem HorrorGenre zu verknüpfen und der in der
USA erstaunlich erfolgreich war. Den großen Überflieger gab es dieses Jahr nicht; mit gerade mal vier Oscars war „The Shape of Water“schon der erfolgreichste Film. Am Schluss der überlangen Zeremonie traten wie 2017 Faye Dunaway und Warren Beatty auf die Bühne – sie hatten im vergangenen Jahr, ohne eigene Schuld, den falschen besten Film genannt. Diesmal hatte die Kanzlei PricewaterhouseCoopers
korrekt gearbeitet – sie habe sich, so zitierte Moderator Jimmy Kimmel das Unternehmen, ganz darauf fokussiert, den richtigen Umschlag zu öffnen; da konnte er sich die Frage nicht verkneifen, was PWC denn dann in den 89 Jahren zuvor gemacht habe.
Für eine Frauenquote
Alles gut gegangen also. An einem Abend, der, keine Überraschung, ganz im Zeichen von #MeToo und „Time’s Up!“, von Diversität, Gleichberechtigung und Offenheit stand. Dafür genügten selbst vordergründig unpolitische Anlässe – der beste Song im Trickfilm „Coco“stammt aus Mexico, also bekommt Präsident Trump etwas über die mexikanische Kultur zu hören; nach vielen Jahren steht die Schauspielerin Annabella Sciorra, eine der Anklägerinnen von Harvey Weinstein, wieder auf der Oscar-Bühne, der Preis für die männliche Hauptrolle wurde nicht von Vorjahresgewinner Casey Affleck vergeben, der mit Belästigungsvorwürfen kämpft, sondern von zwei starken Frauen, Jane Fonda und Helen Mirren. Einige der Stars trugen #MeToo-Sticker am Kleid, andere orangefarbene Anstecker, mit denen sie strengere Waffengesetze anmahnen.
Und schließlich hielt eine hyperventilierende Frances McDormand ein flammendes Plädoyer für mehr Frauen im Business: Sie bat alle weiblichen Nominierten aufzustehen, sichtbar zu werden und vor allem, ihnen Arbeit (und Geld für Projekte) zu geben. Zudem forderte sie Quotenregelungen für Filmteams, auch und gerade hinter der Kamera.
Und doch lagen über den glitzernden Abend der eine oder andere Schatten. Am roten Teppich stand ein amerikanischer TV-Moderator, der sich ebenfalls mit (unbestätigten) Vergewaltigungsvorwürfen konfrontiert sieht, und auch Basketball-Superstar Kobe Bryant, der am Sieger-Trickfilm „Dear Basketball“mitgewirkt hat, stand schon einmal wegen Vergewaltigung vor Gericht; sein mutmaßliches Opfer zog seinerzeit ihre Aussage und unter ungeklärten Umständen kurzfristig zurück.
Da ist Oscar selbst ein leuchtendes Beispiel, machte Jimmy Kimmel deutlich: Der Goldjunge sei der beliebteste Mann in Hollywood: Man sieht seine beiden Hände, er redet keine Zoten und, vor allem: „kein Penis!“Andere Preisträger konnten auf ihre eigene Geschichte verweisen: Guillermo Del Toro legte Wert auf die Feststellung „Ich bin ein Einwanderer!“, Lupita Nyong’o („Star Wars“) und Kumail Nanjiani („The Big Sick“), aus Kenia und Pakistan stammend, reihten sich ein in die Schar der Immigranten, die der Präsident so gerne ausweisen möchte: „Auch wir sind Dreamers!“