Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Keine Angst vorm Scheitern
Nadine Schneider und Norman Graue haben ein Festival organisiert – Warum „Knallgäu“ins Allgäu passt
KEMPTEN - Ihre Leidenschaft liegt im Improvisationstheater. Seit Jahren sind Nadine Schneider und Norman Graue damit im Allgäu unterwegs, am bekanntesten ist ihre Gruppe „Die Wendejacken“. Dass sich diese Form des Theaters für ein ganzes Festival eignet, wollen sie jetzt unter Beweis stellen. Unter dem Dach des Allgäu Ensembles und gemeinsam mit dem Künstlerhaus-Verein haben sie in Kempten das „Knallgäu“organisiert: Vier Workshops und drei Aufführungen gehören dazu. Mareike Keiper hat nachgefragt, was dahintersteckt. Frau Schneider, Herr Graue, wie kamen Sie auf den Festival-Titel „Knallgäu“?
Graue: Wir spinnen eigentlich immer schon herum, was wir noch machen könnten. Als ich irgendwann vorschlug, die Kultbox zu bespielen, hieß es: Du hast einen Knall. Außerdem brauchen Improschauspieler alle einen Knall. Daher passt dieser Ausdruck sehr gut. Was braucht man noch als ImproSchauspieler, außer einen Knall? Schneider: Man braucht eine große Bereitschaft, sich auf dieses Wagnis einzulassen. Und den Mut zum Scheitern.
Graue: Man braucht auch die Eigenschaften einer Rampensau, nach vorne zu preschen, bereit für die Idee zu sein, für die Überraschung auf der Bühne, die Neugier. Was genau macht Improtheater aus?
Graue: Das ist die Magie des Moments. Es gibt keine Theaterform, die so interaktiv mit dem Publikum arbeitet. Daraus entstehen fantastische Dinge.
Schneider: Du teilst mit deinem Publikum an dem Abend ein großes Geheimnis, und das sind die Geschichten. Die wird es so nie wieder zu sehen geben. Außerdem nehmen die Schauspieler etwas mit. Sie lassen beim Improtheater den Alltag hinter sich und erfahren dadurch eine wahnsinnige Freiheit. Wie kamen Sie auf die Idee für ein Improvisationsfestival? Graue: Zum einen wollten wir der Region neue Facetten und Seiten des Improtheaters präsentieren, zum anderen unser Netzwerk mit anderen Gruppen ausbauen.
Schneider: Es ist doch schön, wenn die Leute mal etwas anderes sehen als uns, weil wir hier relativ viel machen. Es gibt eine wahnsinnig große Szene, in Deutschland wie auch international. Wir haben ganz tolle
Workshopleiter gefunden, die auch gleichzeitig das Knallgäu-Ensemble bilden, das den Eröffnungsabend am Freitag gestaltet. Sie sprechen von einer großen deutschen Szene. Wie sieht das im Allgäu aus?
Graue: Wir waren ziemlich lang alleine in der Region, aber in den letzten Jahren haben sich noch ein paar andere Gruppen entwickelt.
Schneider: Oftmals sind es Hobbygruppen, und wir freuen uns natürlich, wenn auch innerhalb der Region eine Vernetzung stattfindet und die Gruppen am Festival teilnehmen. Wie haben Sie angefangen? Graue: Das war 2004. Wir haben eine Improtheater-Gruppe aus München in Hindelang gesehen und wussten: Genau das wollen wir machen.
Schneider: Daraufhin hat Norman uns beide an einer Schauspielschule angemeldet. Nach dem Abschluss standen wir vor der Wahl, ob wir versuchen, irgendwo in Deutschland in einem Theater unterzukommen oder in unserer Allgäuer Heimat den eigenen Kram zu machen. Wir haben uns fürs Allgäu entschieden und arbeiten hier seit 2013 als selbstständige Schauspieler. Zum Festival gehört auch eine Aufführung für Kinder. Läuft das Improvisieren da anders? Schneider: Oh ja. Kinder sprühen vor Ideen, die wissen genau, was sie sehen wollen. Da kommt alles ungefiltert raus. Sie haben eine wahnsinnige Begeisterungsfähigkeit. In einem Festivalworkshop geht es um Musik. Wie passt das mit Improvisation zusammen? Schneider: Zum einen bildet Musik den emotionalen Teppich für eine Szene, zum anderen gibt es eine unheimliche Freiheit, auf ein anderes Genre zu wechseln. Das wollten wir unseren Workshopteilnehmern mal näherbringen. Das klingt alles sehr extrovertiert und abgefahren. Wie passt das zu den konservativen Allgäuern? Schneider: Die Leute lassen sich leichter drauf ein, als man glaubt. Wenn man mal den Zugang findet, sind Allgäuer gar nicht so konservativ. Und vielleicht ist Improtheater ja dieser Zugang.