Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Es kann nur einen geben
100 Tage vor der WM tobt der Konkurrenzkampf beim DFB – Gomez und Wagner in Position
MÜNCHEN (SID) - Die große WMBühne beim Workshop in Sotschi überließ Joachim Löw zuletzt seinem Assistenten Thomas Schneider, stattdessen tüftelte der Bundestrainer im Verborgenen an seinen Russland-Plänen. 100 Tage vor Turnierbeginn werden seine Überlegungen immer konkreter, steht über allem für Löw doch die „historische Mission“Titelverteidigung. Und er weiß: „Deutschland wird gejagt werden wie nie.“Die rachedurstigen Brasilianer, Mitfavoriten wie Frankreich, Spanien oder Argentinien, auch die Gruppengegner Mexiko, Schweden und Südkorea – „sie alle wollen uns, den Weltmeister, unbedingt schlagen“, sagte Löw in seinem Jahresausblick. Deshalb hat er im Ringen um die 23 Kaderplätze für die Endrunde (14. Juni bis 15. Juli) „den härtesten Konkurrenzkampf, den wir je erlebt haben“, ausgerufen.
Und der ist zehn Wochen vor der Bekanntgabe des vorläufigen Aufgebots am 15. Mai im Fußballmuseum Dortmund längst voll entbrannt. Gestandene Weltmeister, Confed-CupSieger und U21-Europameister – das Reservoir an Ausnahmespielern ist so groß wie wohl nie zuvor in der Geschichte des Deutschen FußballBundes (DFB). Doch ausgerechnet Kapitän Manuel Neuer, einer von sechs, sieben Unantastbaren in Löws Kaderplanung, bereitet der sportlichen Leitung große Sorgen.
Dass der Weltmeister die letzten Länderspiele vor der Nominierung des vorläufigen Aufgebots am 23. und 27. März gegen Spanien in Düsseldorf und Brasilien in Berlin nach seiner Fuß-OP verpassen wird, ist längst klar. Doch ein Comeback-Termin Neuers beim FC Bayern ist noch immer nicht absehbar. Dennoch geht er davon aus, „dass ich bei der WM im Tor bin“. Und auch Löw sowie Bayern-Coach Jupp Heynckes sind „felsenfest“von Neuers WM-Teilnahme überzeugt.
Während Kronprinz Marc-André ter Stegen, der beim FC Barcelona eine starke Saison spielt, als Ersatz bereitstünde, herrscht in den anderen Mannschaftsteilen fast ein Überangebot. In der Abwehr bedrängen Niklas Süle oder Antonio Rüdiger das Weltmeister-Duo Jérôme Boateng und Mats Hummels. Im Mittelfeld haben die Stammspieler Toni Kroos und Sami Khedira im wieder erstarkten Ilkay Gündogan einen weiteren Konkurrenten bekommen.
Und im Angriff hat Löw mit dem lange verletzten, jetzt aber stark aufspielenden Marco Reus zum ohnehin schon bestehendem Überangebot eine Option mehr. Am Samstag überzeugte sich der Bundestrainer höchstpersönlich vom Leistungsstand des 28-jährigen Dortmunders und war, dem Vernehmen nach „sehr angetan“.
Wohl letzte Chance für beide
Und dann wäre da noch das Duell der klassischen Torjäger: Mario Gomez gegen Sandro Wagner. Beide haben im Januar den Verein gewechselt, Gomez kam aus Wolfsburg zum VfB Stuttgart, Wagner von der TSG Hoffenheim zum FC Bayern München, um die Aussichten auf die WM zu verbessern. Gomez hatte in der Hinrunde im VfL-Trikot nur einmal getroffen, in der Rückrunde für seinen Herzensklub mit dem Brustring viermal (bei insgesamt 20 Einsätzen), beim 3:2 in Köln sogar doppelt.
Wagners Liga-Quote diese Saison: 7 aus 18. Beim 4:0 der Bayern in Freiburg kam der 30-Jährige auf sechs Torschüsse, erzielte einen Treffer und verrichtete viel (Lauf-)Arbeit für die Mannschaft. „Ich freue mich über jede Minute, die ich spiele. Die brauche ich auch für den Sommer.“Für die WM in Russland, seine wohl einzige Chance im Leben auf eine Turnierteilnahme. Ob er das WM-Ticket bekommt? Wagner kennt die Antwort: „Ich hätte es verdient. Jogi Löw entscheidet. Ich bin sehr, sehr positiv, dass ich mitfahren darf.“
Was Gomez dagegenhält: Verlässlichkeit, Erfahrung, 31 Tore in 71 Länderspielen seit Februar 2007, zudem nagt an ihm die Nichtberücksichtigung für die WM vor vier Jahren. Gomez Claim: „Natürlich steht mein Name für Tore“. Löw kenne seine Stärken. Nämlich: „Zu wissen, wo im Sechzehner der Ball hinkommt. Wichtig ist, dass er sieht, ob ich fit bin, die Energie und das Selbstbewusstsein habe“, sagt Gomez. Und vielleicht kommt alles auch noch ganz anders: „Vielleicht sieht Joachim Löw uns ja gar nicht als Konkurrenten. Vielleicht heißt es am Ende nicht Wagner oder Gomez sondern Wagner und Gomez“, sagte der Stuttgarter der „Sport Bild“. Doch wird es wohl nur einen echten Mittelstürmer, den Typ Stoßstürmer im WM-Kader geben – wer das sein wird, weiß allein der Bundestrainer.
Ob er sich die Tür noch bei der Kaderbekanntgabe offen hält, wird sich zeigen. Am 23. Mai reist die Mannschaft ins Trainingslager nach Eppan in Südtirol, am 2. Juni folgt in Klagenfurt der vorletzte WM-Test gegen Österreich. Das KandidatenCasting endet zwei Tage später, wenn Löw sein endgültiges, 23-köpfiges Aufgebot melden muss. Am 12. Juni bezieht der Weltmeister sein WM-Quartier. „Wir gehen das Turnier mit aller Konzentration, mit aller Kraft an, die uns zur Verfügung steht“, sagte Löw, „wir wollen da unbedingt erfolgreich sein.“