Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Kritik an Verwaltung verblüfft Bürkle
IHK stellt Ergebnisse einer Umfrage unter Bad Wurzacher Unternehmen vor
BAD WURZACH - Breitbandversorgung, Fachkräfte, Strompreise, wirtschaftsfreundliche Verwaltung, medizinische Versorgung und Wohnraum – das sind in den Augen der Bad Wurzacher Unternehmen Felder mit dem größten Handlungsbedarf. Das ergibt eine Umfrage der Industrieund Handelskammer (IHK) Bodensee-Oberschwaben. 53 von 218 Betriebe haben sich daran beteiligt.
Die Ergebnisse stellte die IHK in Person von Hauptgeschäftsführer Professor Peter Jany am Montagabend im Konferenzraum der Verallia Deutschland AG vor. Dazu waren Stadträte, Verwaltungsmitarbeiter, Unternehmer und Händler gekommen. Die IHK hat diese Umfrage in ihrem gesamten Beritt durchgeführt.
Die Defizite, die die Unternehmen in Bad Wurzach bemängelten, sind im Großen und Ganzen nicht neu. Einzig die Kritik an der Wirtschaftsfreundlichkeit der Verwaltung überraschte Bürgermeister Roland Bürkle. „Ich dachte, da sind wir ganz gut unterwegs“, so der Rathauschef. Auf seine Einladung, konkrete Kritikpunkte in der Diskussion anzusprechen, ging allerdings in der großen Runde keiner ein.
Lissmac-Geschäftsführer Klaus Kiefer und Alois Jäger, Geschäftsführer von BauGrund Süd sprangen vielmehr für die Stadtverwaltung in die Bresche. „In Bad Wurzach bin ich zufrieden“, sagte Kiefer, „insgesamt mit der Bürokratie in Deutschland nicht.“„Die Verwaltung hier ist in den vergangenen Jahren deutlich besser geworden. Bad Wurzach ist auf einem guten Weg“, ergänzte Jäger.
Jany berichtete dazu von der Stadt Mengen im Landkreis Sigmaringen. Diese habe sich als wirtschaftsfreundliche Kommune zertifizieren lassen. Ansonsten konnte er die Unzufriedenheit mit der Verwaltung nicht näher erklären: „Wir stellen das nur aufgrund der Umfrage fest, wissen aber die Gründe nicht.“
Schnelles Internet nötig
Von dieser Frage abgesehen seien Verwaltung und Unternehmerschaft weitgehend einig, was die Handlungsfelder betrifft, sagte Bürkle. Beim Breitbandausbau sei die Stadt sehr aktiv und habe hohe Investitionen vorgesehen. Er kritisierte dabei die Telekom, die „Rosinenpickerei“betreibe, so Bürkle, was er am Beispiel Seibranz erläuterte. Dort sei die Telekom bereit, das Baugebiet mit Glasfaser zu erschließen – aber eben nur das, nicht die Anlieger auf dem Weg vom Knotenpunkt dorthin. Für andere Betreiber sei dann aber der Einstieg nicht mehr rentabel.
Klaus Kiefer wies bei diesem Thema auf die neue Technik hin, die sein Unternehmen mit entwickelt hat: die sogenannte minimalinvasive Verlegung von Kabeln. Dabei wird der Untergrund nicht großflächig aufgerissen, sondern nur eine schmale Rille gefräst, in die das Kabel verlegt wird. Das sei wesentlich kostengünstiger. Aufgrund von Ausschreibungsvorschriften kann diese Methode derzeit allerdings in der Region nicht zur Anwendung kommen. „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land“, kritisierte Kiefer. Im Osten Deutschlands sei man da schon viel weiter. Bürkle versprach, sich im Zweckverband für diese Methode einzusetzen.
Auch bei freien Gewerbeflächen sehen Verwaltung und Unternehmer Handlungsbedarf. „Sechs Hektar haben wir noch, fünf weitere werden wir noch ankaufen“, so Bürkle, der auch die Ansiedlung eines Unternehmens aus Bayern mit 45 Arbeitsplätzen in Aussicht stellte. Aber dann sei das derzeitige Potenzial erschöpft, zumal die vorgesehene Gewerbefläche bei Arnach vom Land abgelehnt werde. „Unternehmen, die wachsen wollen, werden wachsen. Notfalls eben woanders“, mahnte Jany in diesem Zusammenhang.
Dass neue Arbeitsplätze der Stadt gut tun würden, zeigten die Pendlerzahlen, die Jany mitgebracht hatte. 9286 Erwerbstätige sind täglich auf dem Gemeindegebiet unterwegs. 3933 von ihnen sind Bad Wurzacher, die in anderen Gemeinden (vor allem Leutkirch, Bad Waldsee und Ravensburg) arbeiten. 1600 Menschen (vor allem aus Leutkirch, Bad Waldsee und Rot/Rot) fahren zum Arbeiten nach Bad Wurzach. Weitere 3735 sind sogenannte innerörtliche Pendler.
Die Stärken
Als Stärken des Standorts Bad Wurzach sehen die Unternehmer die Versorgungssicherheit mit Strom, die Sport- und Freizeitmöglichkeiten, das Image der Region, die Einkaufsmöglichkeiten und die Weiterbildungsangebote. Auch mit der Erreichbarkeit über das Straßennetz sind sie, der nahe gelegenen A 96 sei Dank, relativ zufrieden.
Der Öffentliche Personennahverkehr und die Erreichbarkeit über die Schiene werden zwar besser bewertet als bei einer Umfrage vor zehn Jahren, liegen auf der Skala aber eher bei „weniger zufrieden“. Überdurchschnittlich zufrieden, im Vergleich zu anderen Städten, sind die Betriebe mit der Verfügbarkeit von Auszubildenden.