Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Untertänigster Dank
Die Royal Academy in London versucht eine Rehabilitierung des Bürgerkriegskönigs Charles I
LONDON ●
(dpa) - Durchschnittlich einmal im Jahr kommt Königin Elizabeth II ins Londoner Parlament, um die neue Session zu eröffnen. Auf dem Weg zwischen dem Monarcheneingang und dem Oberhaus hängt an prominenter Stelle eine Kopie des Todesurteils gegen Charles I. vom Januar 1649 – immerwährende Mahnung an englische Monarchen, sich dem im Parlament repräsentierten Willen des Souveräns nicht zu widersetzen.
Verschwender und Nichtskönner
Verschwender und Nichtskönner hat es auf dem englischen Thron reichlich gegeben. Der 1600 geborene Charles kann als schlimmstes Beispiel gelten. Aufgewachsen im Schatten seines erfolgreichen, kräftigen Bruders klammerte sich „der stotternde Wicht“, wie ihn der Cambridger Historiker John Morrill Charles kennzeichnet, nach dem Tod des Kronprinzen an die göttliche Vorsehung – schließlich hatte diese ihm ja den Weg zum Thron freigemacht. Im Bewusstsein seines Gottesgnadentums verfiel der seit 1625 regierende Stuart-König dem Irrglauben, ein König müsse sich weder mit den Untertanen verständigen noch im Parlament rechtfertigen.
Diese Verbohrtheit stürzte das eigentlich königstreue Land in den blutigen Bürgerkrieg der 1640er-Jahre, an dessen Ende Karl seinen Kopf verlor. Selbst der überaus royalistische Autor Andrew Gimson urteilt über den kompromisslosen Charles, dieser habe „als Staatsmann und Kriegsherr versagt“und „einige seiner treuesten Gefolgsleute im Stich gelassen“.
Hofmaler van Dyck
Eine positive Eigenschaft dieses politischen Versagers feiert jetzt die Royal Academy anlässlich ihres 250-jährigen Bestehens. Charles liebte die Kunst. Während auf dem europäischen Kontinent der Dreißigjährige Krieg ganze Landstriche verwüstete und kunstsinnige Fürstenhäuser in den Ruin trieb, raffte der englische König die Werke hervorragender Renaissance-Künstler an sich und holte Antoon van Dyck (1599-1641) als Hofmaler nach London.
„Charles I“heißt die opulente Ausstellung mit 140 Objekten aus dessen Sammlung. Ebenso gut hätte sie „van Dyck“heißen können, stellen doch dessen Gemälde den Kern und das Herz der Zusammenschau dar.
Immer wieder bannte der Hofmaler den Monarchen, die Königin, den König hoch zu Pferd oder im Kreis der Familie auf die Leinwand. Ein Gemälde ist großartiger als das andere. Da hatten sich zwei gefunden: Van Dyck gilt ja als steifer als seine Zeitgenossen Rembrandt und Velazquez, ganz erkennbar entsprach dies der Persönlichkeit seines Arbeitgebers.
Gleich im ersten Raum lässt sich darüber streiten, wer denn nun der Wichtigere ist: Namensgeber Charles I oder doch eher der Künstler van Dyck, dessen dreiköpfige Studie des Königs den Saal dominiert. Das Gemälde wurde nach Rom geschickt, wo Bildhauer-König Gian Lorenzo Bernini eine Büste des Monarchen anfertigte. Die Skulptur fiel später einem Feuer zum Opfer; das wunderbare Gemälde böte Gelegenheit, über mindestens drei Charakteristika des Monarchen zu reflektieren: die persönliche Unsicherheit, die politische Unfähigkeit und der Kunstsinn.
König und Sammler
Nichts davon leistet die „Traum-Ausstellung“, von der RA-Chef Christopher le Brun schwärmt. „König und Sammler“, lautet ihr Untertitel, aber vom verheerend schlechten König ist kaum die Rede. Gerühmt wird der Sammler. Und breiten Raum nimmt die Tatsache ein, daß Karls Sammlung nach dessen Hinrichtung in alle Himmelsrichtungen zerstreut wurde. Das lag zum einen an der Skepsis der tiefreligiösen Puritaner, die nun angeführt von Oliver Cromwell die Republik einführten. Zum anderen aber auch daran, daß der unglückselige Monarch hohe Schulden hinterlassen hatte, nicht zuletzt bei seinen Lieferanten und Handwerkern.
Und so landeten die vielen Tizians, Holbeins und Dürers an den Wänden von Goldschmieden und Klempnern, eine Demokratisierung der Hochkultur, die mit keinem einzigen Wort gewürdigt wird. Die Restauration unter Charles II holte viele der rund 400 Sammlungsstücke dann wieder zusammen, heute gehören noch rund 200 zur königlichen Sammlung.
Eine Reihe britischer Kunstkritiker sind der Propaganda prompt auf den Leim gegangen. Vom „verleumdeten König“schreibt Financial Times; die öffentlich-rechtliche BBC erklärt dessen Nachfolger Oliver Cromwell zum „Idioten“. Was er aber hätte machen sollen mit den Millionenschulden des unfähigen Vorgängers, bleibt offen.
Die Königliche Sammlung umfaßt dreimal so viele Kunstwerke wie die Nationalgalerie am Trafalgar Square; Queen Elizabeth II, so heißt es offiziell, verwaltet sie „treuhänderisch für ihre Nachfolger und die Nation“man beachte die Reihenfolge. Zu sehen sind in der Queen's Gallery neben dem Buckingham-Palast stets nur winzige Teile der gewaltigen Sammlung.
Insofern ist es durchaus begrüßenswert, daß die Royal Academy einige Schmuckstücke zeigen darf, wofür der Monarchin untertänigst gedankt wird.