Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
180 Jahre „sozialdemokratische Lava“
SPD-Ortsverein gibt Feierstunde für Galionsfiguren Walter Bühler und Hans Pscheidl
ISNY - Der SPD-Ortsverein Isny hat seine diesjährige Mitgliederversammlung im kleinen Saal des Kurhauses genutzt, um zwei seiner langjährigen Galionsfiguren in der Stadtund Landkreispolitik die Ehre zu erweisen: Hans Pscheidl und Walter Bühler. Beide haben im vergangenen Jahr, nur wenige Monate nacheinander, den 90. Geburtstag gefeiert.
Dass sie selbst im hohen Alter nichts von von ihrem hintergründigen Humor und politischen Scharfsinn verloren haben, unterstrichen die beiden Jubilare während des gesamten Abends. Nicht nur in einer kurzweiligen Gesprächsrunde mit Otto Ziegler (einem ihrer „Erben“als Ortsvereinsvorsitzende) auf bezeichnenderweise roten Stühlen, die das jahrzehntelange Partei-Engagement von Bühler und Pscheidl Revue passieren ließ.
Bindig und Blaser kommen
Es manifestierte sich auch in den pointierten und launigen Zwischenrufen der Beiden während der Laudationes politischer Weggefährten und einstiger „Gegner“, die eigens nach Isny gekommen waren, um ihre Reverenz zu erweisen: Namentlich Rudolf Bindig, langjähriger Bundestagsabgeordneter der SPD, sein Ulmer Mandatskollege Martin Gerster, und auch Altlandrat Guntram Blaser, der als CDU-Mitglied den beiden einstigen SPD-Kreisräten viel politische Reibungsfläche und unter anderem als Aufsichtsratsvorsitzender der Oberschwaben Kliniken und Vorsitzender des Verwaltungsrats der Kreissparkasse Ravensburg mehr als nur einen Berührungspunkt geboten hatte.
Der 83-jährige Blaser wies im Kurhaus mit einem Augenzwinkern darauf hin, dass er zwar schwarzen Anzug, aber oft rote Krawatte getragen habe, während die beiden „Vögel“, Bühler und Pscheidl, ihm wie bei Wotan rechts und links auf der Schulter gesessen seien und ihn gepckt hätten, wenn es „Meinungsverschiedenheiten“gegeben habe.
Schussental und Allgäu zerstritten Etwa beim Isnyer Krankenhaus, für dessen Schließung Blaser die Schuld dem damals CDU-geführten Sozialministerium zuwies, „dem Saftladen in Stuttgart, wo nie was rausgekommen ist, gleichgültig wer es geführt hat“. Acht Jahre habe er dort gearbeitet und als „Erlösung betrachtet, als ich ins Oberland zurückgekommen bin, obwohl Schussental und Allgäu heilos zerstritten waren“. Er sei überzeugt, als „guter Landrat wieder Harmonie in den Kreistag“gebracht zu haben, woran ein SPD-Kreisrat maßgeblich beteiligt gewesen sei: „Wenn wir nach Sitzungen noch Stunden später zusammensaßen – Pscheidl war immer mit dabei,“erinnerte sich Blaser.
Politisch ihrer Zeit voraus Bürgermeister Rainer Magenreuter erinnerte in seinem Grußwort an „zusammen 180 Jahre politisches Gewicht – mehr, als die SPD alt ist“, dass die Jubilare wie ihre Mitstreiter „in gegenseitigem Respekt trotz unterschiedlicher Meinungen alle das Ziel verfolgt haben, das Beste für die Stadt, den Kreis, für Deutschland und Europa“zu erreichen. Das sei für beide ein ebenso „wichtiger Punkt im politischen Leben gewesen“, der bis heute ausstrahle, wie ihnen der Erhalt und die Sanierung des Isnyer Rathauses maßgeblich zu verdanken sei: „Sie waren Ihrer Zeit voraus, danke für Ihren politischen Weitblick, von dem wir bis heute profitieren“, sagte Magenreuter.
Rudolf Bindig, über viele Jahre das Bindeglied zwischen Isnyer SPD und Bundespolitik, erzählte schmunzelnd, er habe auf der Fahrt sinniert, dass er selbst inzwischen öfter als „Urgestein“der Partei bezeichnet werde. „Ich frage mich: Was seid Ihr?“, und konstatierte bezüglich Bühler und Pscheidl: „Ihr verkörpert sozialdemokratische Lava“. Er erinnere sich an deren heißen Diskussionsfluss beim Kampf um den Erhalt von Eisenbahnlinien im Oberschwäbischen und im Allgäu, bei den Plänen zur A 98 durch die Riedholzer Kugel oder zur B 12-Umfahrung für Isny.
Für letztere habe sich Pscheidl seit 1962 stark gemacht, erinnerte Martin Gerster, als er die Lebensläufe der beiden Geehrten nachzeichnete. Dass der Gemeinderat die Umgehung damals ablehnte, trotz ausgearbeiteter Pläne und Finanzierungszusage des Regierungspräsidiums, sei „ausschlaggebend“gewesen für Pscheidls „langjähriges und vorbildliches kommunalpolitisches Engagement“, sagte Gerster.
In der „Vierergruppe“der SPDFraktion mit Hilde Bodenmüller, Alois Rogg und Bühler sei Pscheidl für die Gewerkschaft gestanden, habe durch seine Kontakte das Feriendorf nach Maierhöfen gebracht, überhaupt die Ansiedlung neuer Betriebe gefördert und sich mit seiner Vergangenheit als Heimatvertriebener der Schaffung von Wohnungen und Arbeitsplätzen besonders verschrieben, nachdem er als Betriebsmaurer bei der Firma C.U. Springer zu arbeiten begonnen hatte.
Das Freizeitzentrum im Rotmoos Kleinhaslach sei dank Pscheidls „ehrenamtlicher Schwarz-Arbeit“zur SPD-Hochburg geworden, merkte Otto Ziegler in der Gesprächsrunde an, die launig um frühere Parteiarbeit („Nicht immer mit legalen Mitteln!“; Bühler), die Gründung der Isnyer Arbeiterwohlfahrt durch Pscheidl, Bühler und andere kreiste – oder um das eine oder andere Isnyer Streitthema: „Zum Freizeitzentrum im Rotmoos kenne ich bis heute nicht die Haltung von Walter Bühler“, unkte Pscheidl zum Beispiel. Nun wurde er prompt, aber mehr als 40 Jahre nach den Planungen aufgeklärt: „Isny braucht so wenig ein Schwimmbad wie ein Fisch ein Fahrrad“, sagte Bühler im Kurhaus.
Zu Bühlers Ehrung durch die SPD waren drei seiner vier Söhne und einer der Enkel gekommen. Martin Gerster erinnerte neben den Lebenslinien (die SZ berichtete anlässlich des 90. Geburtstages) an die rückhaltlose Unterstützung der politischen Arbeit durch Ehefrau und Mutter Elisabeth Bühler.
Er sei überrascht, „dass so viele gute Worte hier fallen“, erwiderte der Geehrte schließlich, er sei „beschämt“, wolle es aber mit Friedrich Schiller halten: „Ihr sprecht von Zeiten, die vergangen sind.“Walter Bühler bedankte sich schließlich für den „tollen Abend mit alten Weggefährten“, der auch unter das Motto des Mainzer Karnevals gestellt werden könne: „Ehret die Alten, bevor sie erkalten.“