Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
12 600 Neu-Ulmer wegen Bombe evakuiert
Schwergewichtige Kriegshinterlassenschaft führte zu Ausnahmezustand
NEU-ULM (dpa) - Nass, kalt, ungemütlich. Doch auch wenn das Wetter in Neu-Ulm eher zum Daheimbleiben einlud, blieb rund 12 600 Bürger nichts anderes übrig, als raus zu gehen. Am Sonntagmorgen mussten sie ihre Wohnungen verlassen und nach dem Neuschnee der Nacht durch Schneematsch stapfen, wenn sie nicht schon am Samstag das Weite gesucht hatten. Denn für die Entschärfung einer eine halbe Tonne schweren Fliegerbombe wurde eine Sperrzone von 500 Metern rund um den Blindgänger eingerichtet. Polizisten sperrten ab 8 Uhr die Straße ab. Es gab keine Ausnahmen, alle Menschen mussten das Gebiet verlassen.
Erst acht Stunden später konnten die Betroffenen dann ihren Heimweg antreten. Die Experten eines Kampfmittelräumdienstes hatten am Nachmittag den Blindgänger unschädlich gemacht. Danach gab es das große Aufatmen in der schwäbischen Stadt. „Danke an Feuerwehr, Rettungsdienst und THW! Und auch ein besonderer Dank an alle Betroffenen für den reibungslosen Ablauf!“, twitterte die Polizei.
Das betroffene Gebiet in der Innenstadt rund um den Bahnhof war am Vormittag nach und nach zur Geisterstadt geworden. Beamte kontrollierten, dass niemand vergessen wurde und zurückblieb. Pflegebedürftige wurden vom Rettungsdienst abgeholt. Insgesamt waren rund 600 Kräfte im Einsatz, damit alles nach Plan lief. Zum Schluss flog noch ein Polizeihubschrauber über die menschenleeren Straßen, um sicherzustellen, dass wirklich niemand mehr unterwegs war.
Zwei Notunterkünfte vorbereitet
Die meisten Bürger hatten Unterschlupf bei Freunden und Verwandten gefunden, viele waren bereits vorher weggefahren. Wer dazu keine Gelegenheit hatte, musste sich am Sonntagmorgen noch ein Plätzchen für die nächsten Stunden suchen. Die Stadt hatte zwei Notunterkünfte eingerichtet. In der Turnhalle einer Schule wurden Bierzeltgarnituren aufgestellt. „Ich habe kurzfristig keinen meiner Bekannten mehr erreicht, als ich von der Evakuierung erfuhr“, erklärte ein Anwohner warum er in die Sporthalle gegangen ist.
Kinder vertrieben sich dort die Zeit mit Fußballspielen, andere machten Brettspiele, lasen Zeitungen, hatten Rätselhefte dabei, ein Student brütete über einer Semesterarbeit, Jugendliche machten es sich in den Umkleideräumen mit ihren Smartphones gemütlich. Die Sanitätsdienste kümmerten sich unterdessen um warme Getränke und Essen.
Auf einer Baustelle war am Donnerstag der Blindgänger entdeckt worden. Es war bereits die zweite Bombe binnen zwei Wochen. Doch eine US-Fliegerbombe, die dort Anfang März erfolgreich entschärft wurde, hatte weniger Aufwand verursacht. Diese Bombe war mit 75 Kilogramm wesentlich kleiner, die Sperrmaßnahmen blieben überschaubar. Noch etwas machte die aktuelle Lage heikel: Am Donnerstag war neben dem 500-Kilo-Koloss auf dem Gelände noch ein weiterer verdächtiger Gegenstand lokalisiert worden. Doch am Sonntag gab es Entwarnung. Im Boden steckte doch keine dritte Bombe.
Die Bürger in der Sperrzone wurden am Freitag und Samstag mit Flugblättern darüber informiert, dass sie aus ihren Wohnungen müssen. Fast ein Viertel der Bevölkerung war betroffen. Die Menschen sollten dann auch an dringend benötigte Medikament und ihre Haustiere denken, betonte die Stadtverwaltung.
Vorsicht vor Einbrechern
Beim Verlassen der Häuser sollten die Bewohner die Türen gut abschließen, stand auf den Zetteln. Ein wichtiger Tipp. Denn als am ersten Weihnachtstag 2016 in Augsburg eine 1,8 Tonnen schwere Luftmine entschärft wurde und 54 000 Bürger aus ihren Häusern mussten, nutzte dies auch ein Einbrecher aus und stieg in dem menschenleeren Gebiet in zwei Wohnungen ein. Der dreiste Gauner wurde allerdings geschnappt. Vor wenigen Wochen wurde der 50-Jährige zu zwei Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. In Augsburg war übrigens derselbe Sprengmeister tätig gewesen.