Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Neue Details zum Pfullendorf-Eklat
Bundeskanzlerin räumt in ihrer Regierungserklärung Fehler ein
PFULLENDORF/ULM (mö) - Nach dem Zusammenbruch von Soldaten bei einem Geländelauf in Pfullendorf wirft die Bundeswehr den Ausbildern in der Staufer-Kaserne offenbar eine absichtliche Überforderung der Rekruten vor. Dies berichtete der „Spiegel“am Mittwoch unter Berufung auf einen Bericht des Verteidigungsministeriums.
BERLIN - Es war ein ungewöhnlicher Auftakt in die erste Plenarsitzung nach der Regierungsbildung. Kanzlerin Angela Merkel trug eine Regierungserklärung voller Selbstkritik und einer klaren Botschaft vor: „Wir haben verstanden.“
Die Herausforderungen der Migrationsbewegung, politische Instabilität im Euroraum und der internationale Terrorismus: Themen, die in Deutschland heftige Debatten ausgelöst haben und die Gesellschaft spalteten. Die Überwindung dieser Spaltung machte Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung am Mittwoch zu einem Schwerpunkt der angebrochenen Legislatur – und sie räumte Fehler ein.
Streckenweise glich die Erklärung der Kanzlerin einem Verteidigungsplädoyer für die vergangene Amtszeit. „Zur ganzen Wahrheit gehört, dass wir zu lange zu halbherzig reagiert haben“, sagte Merkel. Man sei zu naiv etwa mit dem Thema der Fluchtbewegung umgegangen und habe sich zu spät damit befasst, dass das Dublin-Abkommen in der Praxis untauglich sei. Zugeständnisse, für die Merkel hämische Zwischenrufe der AfD-Fraktion erntete: „Unglaublich.“
Fluchtursachen bekämpfen
Die Aufnahme von Menschen in Not sei eine Bewährungsprobe gewesen, die Deutschland aber im Großen und Ganzen bewältigt habe. „Unser Land kann stolz sein“, so die Kanzlerin. In Zukunft wolle sich die Regierung stärker um die Bekämpfung von Fluchtursachen kümmern, strebe Abkommen mit Afrika an und wolle mehr Geld in die unterfinanzierten Hilfsprogramme investieren.
Bei den Plänen für die Zukunft sprach die Kanzlerin, die sonst gerne Europa und Außenpolitik zum Thema macht, aber vor allem auch innenpolitische Themen an. Sie adressierte vor allem Familien, die stärker entlastet werden sollen und kündigte etwa die Mütterrente, das Bau-Kindergeld und ein Programm für den sozialen Wohnungsbau an.
In der ersten Plenarsitzung der neuen Regierung zeigten sich aber auch die ersten Spannungen innerhalb der Koalition. Schon die Sitzordnung auf der ersten Regierungsbank könnte fast Sinnbild für den Charakter dieser Koalition sein. Streng im Wechsel, je ein SPD- und Unionsminister, völlig im Gleichgewicht – wie ein zu volles Glas, das nur durch die Oberflächenspannung des Wassers nicht überläuft. Eine Spannung, die auch in Merkels Erklärung durchschien.
„Nein, der Islam gehört nicht zu Deutschland“, hatte Horst Seehofer (CSU) noch in der vergangenen Woche geäußert. Merkel griff das Thema in ihrer Erklärung auf. „Es steht außer Frage, dass die historische Prägung unseres Landes christlich und jüdisch ist. Doch so richtig das ist, so richtig ist es auch, dass mit den 4,5 Millionen bei uns lebenden Muslimen ihre Religion, der Islam, inzwischen ein Teil Deutschlands geworden ist“, sagte Merkel. Ein Machtwort und ein klarer Seitenhieb gegen den neuen Innenminister, der während Merkels Worten mit gesenktem Blick in seinen Unterlagen blätterte.
Pfeilspitzen flogen auch aus Richtung Andrea Nahles (SPD). Beim Thema Pflege sagte sie in Richtung Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Das Thema „erfordert die volle Aufmerksamkeit des zuständigen Ministers“. Der nahm den Angriff mit einem Lächeln. Neben dem Seitenhieb sprach die Fraktionschefin der SPD ebenfalls von Zusammenhalt – im Sozialen, aber auch in Europa. Alexander Gauland (AfD) hatte als Oppositionsführer nach Merkel als Erster das Wort und kritisierte die Flüchtlingspolitk der Regierung. „Es gibt keine Pflicht zu Vielfalt und Buntheit, es gibt auch keine Pflicht, meinen Staatsraum mit anderen Menschen zu teilen.“Insgesamt war die AfD in dieser Sitzung aber zurückhaltender mit Zwischenrufen als sonst. Den zum Teil stehenden Applaus für Merkels Erklärung, verhöhnte die AfD mit einer angedeuteten Laola-Welle.
Ihre Erklärung beendete Merkel mit einem Zitat aus ihrer eigenen Regierungserklärung aus dem Jahr 2005 – der Beginn ihrer ersten Legislaturperiode als Kanzlerin: „Ich bin überzeugt, Deutschland kann es schaffen.“Ein Zitat, dass ihr später im Zusammenhang mit der Flüchtlingsbewegung heftige Kritik einbrachte.
Geradezu trotzig wiederholte Merkel am Mittwoch den Satz und erweiterte ihr Zitat von damals. „Und heute füge ich hinzu: Und Deutschland, das sind wir alle.“Ein Appell gegen die Spaltung und für den Zusammenhalt. Am Ende der Wahlperiode müsse es vor allem heißen, dass die in Berlin aus dem Wahlergebnis von 2017 gelernt haben.