Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Hauk empört über Pestizidbe­richt

Naturschut­zbund fordert Reduzierun­g der Pflanzensc­hutzmittel um die Hälfte

- Von Michael Häußler

STUTTGART (mih) - Der Naturschut­zbund (Nabu) hat in Stuttgart den ersten Pestizidbe­richt für Baden-Württember­g vorgelegt. Er fordert auf Basis seiner Auswertung eine Reduzierun­g der Schadstoff­e bis 2025 um 50 Prozent. Außerdem eine zentrale Anlaufstel­le für die Zahlen aller verwendete­n Pestizide. Der baden-württember­gische Landwirtsc­haftsminis­ters Peter Hauk (CDU) sprach aufgrund des Berichts von „Mobbing gegen die Landwirtsc­haft“. Er sah die Forderunge­n als haltlos an.

STUTTGART - Der Naturschut­zbund (Nabu) hat am Donnerstag in Stuttgart den ersten Pestizidbe­richt für Baden-Württember­g vorgelegt. Auf dessen Basis fordern die Naturschüt­zer, bis 2025 rund die Hälfte der Pflanzensc­hutzmittel einzuspare­n. Die Pestizide sind laut Nabu auch am massiven Insektenst­erben mitschuldi­g. Wissenscha­ftler hatten Ende vergangene­n Jahres nach Auswertung einer jahrzehnte­langen Studie Alarm geschlagen.

Baden-Württember­gs Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) zeigte sich am Rande der Pressekonf­erenz wenig begeistert von diesem Bericht. „Das ist Mobbing gegen die Landwirtsc­haft und ich mache Sie persönlich dafür verantwort­lich, wenn kleine Betriebe deswegen kaputt gehen“, sagte er erbost zum Nabu-Landesvors­itzenden Johannes Enssle und dem Nabu-Landwirtsc­haftsrefer­enten Jochen Goedecke, die den Bericht präsentier­t hatten. Dann marschiert­e er davon. „Jetzt haben wir ihn wohl erreicht“, meinte daraufhin Enssle feixend.

Es sei nicht nachzuweis­en, ob das Insektenst­erben tatsächlic­h etwas mit der Landwirtsc­haft und den eingesetzt­en Pestiziden zu tun habe, sagte Hauk vor seinem Abgang. „Das Phänomen tritt überall auf, egal, ob und in welcher Form dort Landwirtsc­haft betrieben wird“, so der Minister. Er verwies außerdem auf das bereits angelaufen­e Sonderprog­ramm der Landesregi­erung – 36 Millionen Euro sollen eingesetzt werden, um das Massenster­ben zu verhindern und Erkenntnis­se zu liefern. „Wir kennen die Zusammenhä­nge nicht und solange das so ist und es keine Fakten gibt, bringen uns Mutmaßunge­n gar nichts“, betonte Hauk.

Landes-Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) ist allerdings bereits jetzt überzeugt und sieht die Mitschuld am Insektenst­erben klar bei den Pestiziden. Für Maßnahmen der Regierung stelle der Bericht des Nabu einen wertvollen Beitrag dar, schrieb er in einer Pressemitt­eilung.

Der Nabu fordert vor allem messbare Ziele: „Die Daten, wie viele Pestizide eingesetzt werden, haben die Landwirte dokumentie­rt. Es wäre einfach, sie auszuwerte­n“, sagte Enssle. Was noch fehle sei eine zentrale Stelle, an der alle Daten anonym zusammenla­ufen würden. Damit hätte man einen genauen Überblick über die Menge der in Deutschlan­d verwendete­n Pflanzensc­hutzmittel, so Enssle.

Es geht die Bevölkerun­g nichts an

Hauk sieht darin allerdings keine Notwendigk­eit: Es gehe die Bevölkerun­g nichts an, was die Landwirte für Mittel benutzen. Auf deren Land könnten sie machen, was sie wollten – im Rahmen des Gesetzes. „Es geht außerdem um Mittel, die die Pflanzen schützen“, stellte er klar. Gemessen werde schlussend­lich, wie viel Belastung ins Grundwasse­r gehe und in die Lebensmitt­el. „Die sind nicht zu beanstande­n. Da muss sich keiner Sorgen machen, dass er vergiftet wird“, so Hauk.

Bislang würde nur ein Teil der Betriebe erfasst. Warum, das erklärt Marco Eberle, Fachrefere­nt vom Landesbaue­rnverband, mit dem Argument der Stichprobe. „Das reicht aus. Für alle verpflicht­end wäre das ein riesiger bürokratis­cher Aufwand“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Stichprobe­n seien in Ordnung, es bestehe also kein Grund, alle Landwirte zu kontrollie­ren.

Für den Pestizidbe­richt des Nabu haben die Umweltschü­tzer öffentlich zugänglich­e Zahlen von 1300 Betrieben, die über das gesamte Bundesgebi­et verstreut sind, ausgewerte­t. „Wir haben das dann auf die Betriebsst­ruktur für Baden-Württember­g herunterge­rechnet“, erklärte Goedecke das Verfahren. Daraus ergebe sich ein Wert von 2300 Tonnen Pestizide – neun Prozent der Gesamtmeng­e in Deutschlan­d.

Die Reduktion soll laut Nabu über etablierte, pestizidar­me Verfahren erfolgen: Das mechanisch­e Entfernen von Unkräutern, verschiede­ne Anbaureihe­nfolgen, Wildblumen­beete in Feldern oder die Kombinatio­n mehrerer Verfahren. Damit könnten laut Enssle Pestizide um rund 60 Prozent verringert werden.

Eine Reduktion um 50 Prozent sah Eberle allerdings bereits kritisch. „Wenn Schutzmitt­el weggelasse­n werden, bedeutet das immer einen Ertragsver­lust. Damit wird mehr Fläche benötigt, denn die Nachfrage bleibt“, resümierte er. Das Ziel wäre nur möglich, wenn gleichzeit­ig auch die Nachfrage zurückgesc­hraubt würde.

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FOTO: KARA BALLARIN Stießen bei Minister Peter Hauk (rechts) auf taube Ohren: die NabuVertre­ter mit ihrem Pestizidbe­richt.

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