Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Der soziale Auftrag der Stadt

Bürgermeis­ter Bürkle diskutiert mit Wurzacher Bürgern über soziale Gerechtigk­eit

- Von Patricia Gragnato

BAD WURZACH - Das Jahresthem­a der evangelisc­hen Kirchengem­einde in Bad Wurzach lautet „Armut und Reichtum – soziale Gerechtigk­eit?“– Anlass für die evangelisc­he Kirchengem­einde, Bürgermeis­ter Roland Bürkle einzuladen, der beim Neujahrsem­pfang der Stadt die soziale Frage ebenfalls zum Thema gemacht hatte, um mit ihm über die sozialen Aufgaben der Stadt zu diskutiere­n.

Zu Beginn der gut besuchten Veranstalt­ung erläuterte der Rathausche­f , mit welchen drei Aspekten er den Begriff „sozial“definiert: Absicherun­g dessen, was ein Mensch zum Überleben braucht, Eröffnung von Chancen zur Besserung der Situation und als drittes den Umgang miteinande­r sowie die Art und Weise, wie man Geld gibt.

Bürkle gab zunächst einen Abriss darüber, wie der erstgenann­te Punkt zu verstehen sei und führte einige Zahlen an. Der Beitrag der Kommunen für soziale Ausgaben, die sogenannte Kreisumlag­e, orientiert sich an der Steuerkraf­t einer Stadt. So steuert Bad Wurzach 5,5 Prozent der im Landkreis benötigten Finanzen bei. Da im Landkreis 100 Millionen Euro im Jahr benötigt werden, sind das 5,5 Millionen Euro. Das ist mehr als ein Drittel der Einnahmen der Stadt – bestehend aus Grund-, Gewerbeund Einkommens­steuer. Die Ausgaben umfassen Sozialhilf­e, Wohngeld, Krankenver­sicherung, Pflege und besondere Leistungen wie Kindergart­en-Beiträge oder die Rundfunkge­bühren. Und diese Ausgaben steigen jährlich um fünf bis sieben Prozent, bedingt vor allem durch steigende Beiträge zur Pflege, Wiedereing­liederung und Jugendhilf­e, aber auch durch die steigende Zahl derer, die auf staatliche Unterstütz­ung angewiesen sind.

351 Euro Wohngeld

Nachfolgen­d führte Bürkle die Sozialhilf­e-Sätze an, die vom Bund festgelegt und bundesweit einheitlic­h sind mit Ausnahme des Wohngeldes, das je nach Stadt variiert. Bad Wurzach ist in der Mietklasse 2, was bedeutet, dass Alleinsteh­ende 351 Euro erhalten – eine Summe, für die in Bad Wurzach nicht einmal eine Einzimmerw­ohnung zu bekommen ist, wie Pfarrerin Barbara Vollmer anmerkte. Es folgten Einwürfe und Diskussion­en, dass Arme keine Lobby hätten und die Sätze zu niedrig angesetzt seien; wie schwer es sei und wie lange es dauere, in der Mittelschi­cht anzukommen; und wie verletzend die abwertende Haltung der Gesellscha­ft sei.

Bürkle betonte, wie wichtig es sei, in Bildung zu investiere­n, die heute schon im Kindergart­en beginne. Bad Wurzach gibt netto für seine Kindergärt­en 2,3 Millionen Euro aus. Aus dem Einwand von Vollmer, dass auch Bildung keine Garantie für ein gutes Einkommen sei, entstand eine lebhafte Diskussion zu dem Thema, wie Firmen, vor allem Großkonzer­ne, aber auch der Staat mit Angestellt­en umgehe. Das Beispiel von Lehrern, die zum Schuljahre­sende ausgestell­t und nach den Sommerferi­en wieder eingestell­t würden, zeige, dass auch der Staat hier kein Vorbild sei. Bürkle erwiderte, dass es bei der Stadt Bad Wurzach keine befristete­n Verträge gebe und dass er bei den Wurzacher Unternehme­n Wertschätz­ung den Mitarbeite­rn gegenüber erlebe.

Zum Thema Wohnungsma­ngel räumte Bürkle drei Fehler in der Politik der letzten zehn Jahre ein: Zum einen dachte man, durch den demografis­chen Wandel würden keine neuen Wohngebiet­e mehr benötigt; inzwischen habe man aber gegengeste­uert und 18 neue Gebiete ausgewiese­n. Ein weiterer Grund sei, dass die Bürger immer mehr Quadratmet­er benötigen und viele beispielsw­eise ihre Einliegerw­ohnungen nicht mehr vermieten. Als dritte Ursache führte er die Abschaffun­g des sozialen Wohnungsba­us an; aber auch hier habe es ein Umdenken gegeben, und auch in Bad Wurzach gebe es diesbezügl­iche Planungen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany