Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Nach Festnahme: St. Jodok erleichtert
Stadtpfarrer fragt sich dennoch, wie Kirchen mit steigendem Vandalismus umgehen sollen
RAVENSBURG - Bei der Ravensburger Kirchengemeinde St. Jodok ist die Erleichterung nach der Festnahme des mutmaßlichen Kirchen-Brandstifters groß. Die Bedrohung scheint gebannt. Gleichzeitig bleibt die Frage nach dem Motiv – und wie solche Vorfälle in Zukunft vermieden werden können.
Wie berichtet, hat die Polizei am Dienstag einen Mann festgenommen, der vor knapp zwei Wochen die Brände in der Pfarrkirche St. Martin in Schlier und der historischen Kirche St. Jodok in Ravensburg gelegt haben soll. Außerdem soll der mutmaßliche Täter im Internet mit weiteren Brandstiftungen gedroht haben. Herrmann Riedle, der katholische Stadtpfarrer von Ravensburg, ist froh darüber, dass nun Gewissheit herrscht. „Jetzt ist klar, was passiert ist und wer es war“, sagt er. „Und es ist gut, dass derjenige aus dem Verkehr gezogen wurde.“
Bis zuletzt hatten sich evangelische und katholische Kirchen in Ravensburg und Umgebung Gedanken gemacht, wie mit der Gefahr einer erneuten Brandstiftung umzugehen ist. Teilweise wurden die Gotteshäuser über mehrere Tage geschlossen, teilweise nur unter Aufsicht geöffnet. Auch die Polizei verstärkte ihre Kontrollen. „Kirchen sollten prinzipiell offen stehen, aber wenn das Risiko zu groß wird, muss man sie schließen“, ist Riedles Ansicht dazu. Ihm zufolge müssten sich die Kirchen auch künftig überlegen, wie mit dem zunehmenden Vandalismus umzugehen sei.
Nicht verstehen könne er, warum jemand Kirchen anzünde, so der Pfarrer. „Ob man das klären kann, weiß ich allerdings nicht“, zweifelt er. Auf die Frage, ob er als Kirchenmann dem Täter vergebe, meint Riedle: „Es gibt ein Strafrecht und auf dessen Grundlage wird die Tat geahndet.“
Diskussionen ums Sofa
Noch ist ungewiss, wie das linke Kirchenschiff von St. Jodok nach den Sanierungsarbeiten gestaltet sein wird. Wenn es nach Jugendseelsorgerin Schwester Marie-Therese geht, soll der Bereich der Jugendkirche Joel, in dem das brennende Sofa stand, auf jeden Fall wieder eine gemütliche Sitzecke bekommen. Die in den vergangenen Tagen laut gewordenen Kritik, was Polstermöbel in einer Kirche verloren hätten, kann sie nicht nachvollziehen. „Es war ein Ort, an dem man sich hinsetzen, in der Bibel lesen und zur Ruhe kommen konnte“, sagt sie, „und tolle Gespräche sind dort ebenfalls entstanden.“Es sei immer eine besondere Atmosphäre gewesen, beschreibt Schwester Marie-Therese weiter. Sowohl Schulklassen als auch Firmlinge und Kirchenbesucher hätten die Sitzecke gerne genutzt.
Vonseiten der Kirchenleitung habe es laut der Jugendseelsorgerin zu keiner Zeit Vorwürfe wegen des Sofas gegeben. Und auch die Jugendlichen selbst seien nach dem Brand nicht zerknirscht, sondern voller Hoffnung und Tatendrang gewesen: So haben sie unteren anderem einen Kuchenverkauf gestartet und ein BenefizKonzert veranstaltet. „Die Stimmung ist gut, wir nutzen das als Chance“, meint Schwester Marie-Therese.
Alle Beiträge, Videos und Fotos zu den Kirchenbränden in Ravensburg und Schlier sehen Sie in einem Online-Dossier unter www.schwäbische.de/kirchenbrand