Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Neue Hoffnung für betrogene VW-Kunden
Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, zum Vorstoß der neuen Verbraucherministerin
BERLIN - Bundesverbraucherministerin Katarina Barley will schnell den Weg für eine Art Sammelklage freimachen. Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) schöpft deshalb Hoffnung, dass betrogene VW-Kunden am Ende doch nicht leer ausgehen.
Welchen ersten Eindruck haben Sie von der neuen Verbraucherministerin Katarina Barley?
Ich glaube, dass Frau Barley sehr am Leben und Alltag der Menschen interessiert ist. Das bedeutet anzuerkennen, dass 2,4 Millionen Dieselfahrzeug-Besitzer in Deutschland durch die Manipulation bei VW betroffen sind. Sie will sich nicht mit dem bisherigen Dilemma unseres Rechtssystems abfinden, dass Kunden entweder den Wertverlust und mögliche Fahrverbote in Kauf nehmen, individuell klagen oder sich Klagen von sehr teuren Prozessfinanzierern anschließen müssen. Viele können sich eine Klage gar nicht leisten. So eine kämpferische Verbraucherministerin brauchen wir. Sie hat am zweiten Amtstag gleich den Gesetzentwurf für eine Musterfeststellungsklage auf den Weg gebracht. Chapeau!
Das Gesetz soll spätestens am 1. November 2018 inkrafttreten. Was sollen geschädigte VW-Besitzer bis dahin tun?
Immer mehr Gerichte stellen fest, dass Volkswagen betrogen hat. Für Schäden daraus läuft die Verjährungsfrist Ende diesen Jahres aus. Darum ist der extrem sportliche Termin für das Gesetz so wichtig. Wenn das Gesetz pünktlich kommt und gut gemacht ist, dann wären wir in der Lage, eine erste Musterfeststellungsklage auf den Weg zu bringen. Daran können sich all diejenigen beteiligen, die unter der Betrugsaffäre leiden.
Können sich die Betroffenen darauf verlassen?
Wenn ich die Zukunft aus einer Glaskugel lesen könnte, würde ich Ihnen diese Frage gerne beantworten. Das kann ich aber nicht. Ob dieser Zeitplan zu halten ist oder die Wirtschaft in den Entwurf noch Hemmnisse verankern kann, bleibt abzuwarten. Wir Verbraucherschützer tun jedenfalls alles menschenmögliche dafür, dass das gelingt.
Die Deutsche Umwelthilfe will mit dem Argument des Gesundheitsschutzes Fahrverbote durchsetzen. Eigentlich ist Ihr Verband auch diesem Thema verpflichtet. Von Ihnen ist aber nichts zu hören. Schätzen Sie die Gefahren durch Stickoxidbelastung anders ein?
Der Fall hat zwei Seiten. Die Umweltbelastung ist besonders für jüngere und ältere oder kranke Menschen nicht akzeptabel. Die Auswirkungen können im Einzelfall dramatisch sein und das kritisieren wir deutlich. Andererseits ist das Instrument der Fahrverbote eines, das für Pendler oder Eltern von Kindern, die zur Schule gefahren werden müssen, oder auch für Handwerker, eine existenzielle Einschränkung. Es kommt zu einem massiven Wertverlust oder gar einer Enteignung. Es gibt eine Lösung für beide Probleme. Die verantwortlichen Autohersteller müssen die Hardware der Dieselfahrzeuge nachrüsten, dies auch bezahlen und die Gewährleistung übernehmen. Das Geld dafür ist da, wie die Milliardengewinne von VW zeigen. Eine andere Möglichkeit zur Finanzierung bieten Sanktionen nach EURecht. 5 000 Euro Strafe pro Fahrzeug sind möglich, wenn ein Hersteller betrogen hat. Das ist zumindest im Fall VW offensichtlich. Nachweise für weitere Automobilhersteller könnten folgen.
Bewegt sich hier etwas?
Im Moment wenig. Richtig wäre jetzt, wenn die Bundesregierung schnell ein zweites Treffen des Nationalen Forums Diesel einberufen würde. Dort könnte eine Lösung gefunden werden. Die Bundeskanzlerin hat klar erklärt, dass der Autofahrer nicht „der Dumme“sein darf. Daraus müssen nun Konsequenzen folgen.
Auch auf einer anderen Spielwiese gibt es einen Skandal. Die illegale Verwendung der Daten von Millionen Facebook-Kunden für Wahlkampfbotschaften. Sollen die Nutzer ihre Mitgliedschaft kündigen?
Das kann keine Option sein, wenn dadurch wichtige Kontakte abbrechen würden, zum Beispiel zu den Kindern, die im Ausland leben. Die Politik muss vielmehr einen sicheren Rechtsrahmen schaffen. Einen wichtigen Schritt dazu geht Europa am 25. Mai. An diesem Tag tritt die Datenschutz-Grundverordnung in Kraft. Die EU erhält damit europaweit einheitliche Regelungen für den Datenschutz.