Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wider den Stachel
Daniel Abt aus Kempten, erster deutscher Rennsieger in der Formel E, hat auch in Berlin viel vor
BERLIN - Daniel Abt gibt ordentlich Gas. Sofern man dies für einen Rennfahrer, der in der vollelektrischen Formel E unterwegs ist, so überhaupt sagen kann. Am heutigen Samstag jedenfalls gastiert die Serie in Berlin auf dem Tempelhofer Flughafen (Start 18 Uhr/ARD). Das Heimrennen für den Kemptener. Der sagt: „Das Ziel muss heißen: Heimsieg!“
Wieder wird ein 2,375 Kilometer langer Kurs auf dem historischen Flugfeld aufgebaut. So wie vor drei Jahren, so wie vor zwölf Monaten. Dazwischen hatte die innovative Serie einen Auftritt direkt im Zentrum gewagt. Bei den Piloten kam der gut an. Schließlich sind sie das von ihren anderen Stationen wie Hongkong oder Paris oder New York so gewohnt. „In der Innenstadt herrscht eine ganz andere Atmosphäre“, sagt der 25 Jahre alte Abt, „mit den Häusern neben der Strecke können die Fans auf den Balkonen stehen und runterschauen.“Doch für die Berliner Bevölkerung waren die Beschwerlichkeiten zuviel. Also wurde auf die alte Location zurückgewechselt. „Ich find’s schade, dass wir nicht mehr am ,Alex‘ fahren", sagt Daniel Abt.
Sonst hat sich die Elektro-Rennserie in ihren vier Jahren bereits voll etabliert. Keiner kann dies besser beurteilen als Daniel Abt. Vom ersten Rennen im September 2014 an – als die Renner durch Peking surrten – ist der Allgäuer dabei. „Keiner wusste damals, auf welches Abenteuer man sich da einlässt, was erwartet uns?“, erzählt er. Auch er selbst war „ein wenig skeptisch“.
Zu Beginn zeigten lediglich Renault und Mahindra als Hersteller Interesse an der Serie. Abt bekam das Cockpit in einem Rennwagen seines Vaters Hans-Jürgen Abt, der mit seinem Rennteam den Sprung ins Ungewisse wagte. Die Skepsis ist längst verflogen und Euphorie gewichen. Die Autohersteller stehen Schlange. Citroën und Jaguar sind längst an Bord. Audi hat vor Beginn dieser Saison das Startrecht vom Abt-Team übernommen. BMW wird in der nächsten Saison einsteigen, Mercedes hat sein Kommen für die Saison 2019/2020 in dieser Woche angekündigt. Dann wird auch Porsche einsteigen.
Doch der Start in diese Serie, in der als offizieller Rennserie des Automobil-Weltverbandes FIA am Ende einer von nur fünf Weltmeister-Titeln vergeben wird, war auch für Daniel Abt ein schwerer. „Es gab doch einige, die gesagt haben, dass ich es nicht verdient hätte“, sagte er vor Kurzem. Immer wieder wurde ihm unterstellt, er fahre nur wegen seines Namens. Man habe es einfach schwerer, wenn man Sohn eines Teambesitzers ist. „Dieser Stachel sitzt ganz schön tief.“
Spätestens mit dem Wechsel des Rennstalls vom Privatteam Abt zum Werksteam Audi erhielt auch Daniel Abt die von ihm selbst eingeforderte Anerkennung. Er wurde zum Werksfahrer befördert. Audi-Teamchef Allan McNish hatte ihm erklärt, dass sich Audi bewusst aufgrund seiner Leistungen für ihn entschieden habe, nicht weil er Abt heißt.
Dieses Vertrauen hat Daniel Abt längst zurückgezahlt. Im März hat er sich in Mexiko als erster Deutscher in die Siegerliste der Formel E eingetragen. Bereits zum Saisonstart hatte er in Hongkong als Erster die Ziellinie überquert. Die 25 Punkte wären das ideale Geschenk zu seinem 25. Geburtstag gewesen. Doch wegen einer falsch eingetragenen Teilenummer im Fahrzeugpass war Abt disqualifiziert worden. Welche Enttäuschung! Am Tag danach hat er Mails an Audi und seine Mechaniker geschrieben, in denen er sich entschuldigt und ermuntert hat, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzuarbeiten. Spätestens seit dieser Geste wird er voll und ganz respektiert, befindet er sich auf Augenhöhe mit seinem Teamkollegen Lucas di Grassi, dem Formel-E-Weltmeister.
In der Gesamtwertung belegt Daniel Abt Platz sechs. Bei noch vier Rennen hat er keine Chance mehr auf den Titel. Zu souverän führt der Franzose Jean-Eric Vergne mit 147 Zählern. Doch der Rennfahrer aus Kempten würde mit seinem Audi, der als das schnellste Auto im Feld gilt, gerne noch ein paar Highlights setzen. Am liebsten gleich heute in Berlin. Beim Heimrennen. Mit einem Heimsieg.