Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Alte Handys sind Millionen wert
Natürliche Ressourcen sind für Leutkircher Schüler ein wichtiges Thema
LEUTKIRCH – Im Garten der Gemeinschaftsschule Leutkirch war am 6. Juni eine Satellitenschüssel aufgebaut. Verantwortlich dafür: Michael Geisler, Astronom und Umweltpädagoge beim Projekt Geoscopia, der im Rahmen der „Germanwatch Rohstoffexpedition“aus Bochum angereist war und eine achte Klasse der Gemeinschaftsschule Leutkirch mit einem fröhlichen „Moinsen“begrüßte, ehe er mit den Schülern auf Spurensuche nach alten Handys und Rohstoffe ging. 100 Millionen alte Handys bunkern die Bundesbürger, unzählige Ressourcen werden so verschwendet.
100 Millionen alte Handys
„Mich interessiert das Thema nicht“, meinte eine Schülerin nach rund 60 Minuten. Der Umweltpädagoge war von dieser Meinung nicht sonderlich überrascht und zeigte Verständnis. Die meisten Menschen würden so denken und gerade bei Achtklässlern stehe das Thema nicht an erster Stelle. Es kam aber zu interessanten Wortbeiträgen der Schüler – und manchmal zu erstaunten Gesichtern. Zwei bis vier alte Handys würden zu Hause in den „Handyschubladen“liegen, meinten sie. Präziser ist eine Bitkom-Studie von 2015. Rund 100 Millionen alte Geräte würden die Deutschen in Schubladen und Kellern sammeln. Alte, zerkratzte Geräte, auf denen alte Bilder gespeichert seien weiß Geisler, die aber auch wertvolle Rohstoffe enthielten, die Millionen wert seien.
Handys oder Smartphones haben meist eine Plastikhülle, im Inneren verbergen sich aber rund 30 Metalle. Das meiste davon Kupfer, aber auch Edelmetalle wie Gold. Dies werde meist in Minen abgebaut, sagt Geisler und zeigt ein Satellitenbild einer Mine in einem südamerikanischen Regenwald, so groß wie etwa Frankfurt am Main. Wenn man Glück habe, befinde sich in einer Tonne Gestein etwa zwei Gramm Gold. Die Schüler staunten ob dieser Zahl. Die Schätzungen lagen deutlich höher. Jedes Jahr benötige man rund 36 Tonnen Gold für die neuesten Smartphones, Tablets oder Flachbildschirme fuhr der Umweltpädagoge fort. Und um Gold zu gewinnen, benötige man meist Quecksilber. Eine Substanz, die die Umwelt und die Menschen vergiftet. Rund 18 Tonnen Quecksilber würden in die umliegenden Seen der Mine und Flüsse geleitet. Schäden für die Umwelt würde man in Kauf nehmen, sagt Geisler.
Wenige Cent Lohn am Tag
Für die Displayproduktion sei Coltan ein unentbehrlicher Rohstoff. Nach diesem Kristall müssen in Afrika Erwachsene und Kinder metertief buddeln – für wenige Cent Lohn am Tag. Ein erstauntes „Oha“war von den Schülern zu hören. Noch schockierter waren sie, als Geisler ihnen erzählte, dass die Arbeiter erschossen werden, wenn sie nicht gut genug arbeiten würden. Mit der erwähnten Satellitenschüssel fängt Geisler LiveBilder eines Wettersatelliten ein und bekommt alle 15 Minuten ein Bild ins Klassenzimmer. So zeigt er den Schülern, dass es um die Mittagszeit in Hamburg 26 Grad Temperatur hat, in Zentralafrika, wo das meiste Coltan abgebaut wird, aber weit über 40 Grad. Beschwerliche Arbeitsbedingungen, das erkannten die Schüler.
Plastik müllt die Weltmeere zu
Mehrere Millionen Tonnen Plastikmüll würde im Pazifik herumtreiben, mahnt Geisler. In der Ostsee habe mittlerweile jedes Tier Plastik in den Innereien. Die Bilder von verendeten Tieren durch Plastikmüll ließ die Schüler für kurze Zeit verstummen. „Menschen machen sich darüber keine Gedanken“kritisiert Geisler. 8,7 Millionen Tonnen Plastikmüll habe der Mensch seit den 1950er-Jahren produziert, die Hälfte in den letzten 30 Jahren. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln produziert der Bundesbürger im Schnitt 37 Kilo Plastikmüll im Jahr – kein Wunder, wenn im Supermarkt das ganze Obst und Gemüse in Plastik eingepackt sei, wirkt Geisler etwas resigniert. „Hätte Kolumbus ein Plastiknetz ins Meer geschmissen, es würde heute noch existieren.“Trotz allem bewahrt er sich seinen Galgenhumor.
Die Doppelstunde vergeht wie im Nu. Geisler führt den Schülern schlagfertig, aber eindrucksvoll vor Augen, welche Rohstoffe in ausgedienten Elektrogeräten schlummern und was dies für Auswirkungen auf die Umwelt habe. Wir würden viel zu viele Ressourcen unnötig verbrauchen, mahnt er. Der Einzelne könne wenig ausrichten, aber er solle sich fragen, ob das alles so sein müsse, gab er den Schülern mit auf den Weg als die Schulklingel zum Stundenende klingelte.
Informationen zu „Germanwatch Rohstoffexpedition“unter: www.lightcycle.de.