Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Nur mit Ball fühlt sich Özil richtig wohl
Kritisierter Spielgestalter droht wegen Knieproblemen Ausfall beim letzten WM-Test
EPPAN (dpa) - Jetzt auch noch Verletzungssorgen: Wie die „Bild“am Mittwoch Abend berichtete, soll sich Mesut Özil beim 1:2 der Nationalmannschaft gegen Österreich am Knie verletzt haben. Der Mittelfeldspieler, der in den letzten vier Tagen auch wegen eines Rückenleidens nur individuell trainierte im Trainingslager in Eppan, droht dem Blatt zufolge beim letzten WM-Test am Freitag gegen Saudi-Arabien auszufallen.
Wo ist Mesut Özil? Das fragten sich Reporter und Fans rund um die Sportanlage Rungg dieser Tage öfter. Er trainierte nur individuell im Kraftraum. Und sein anhaltendes Schweigen zum Besuch beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hatte Kritik und neue Reaktionen ausgelöst.
Er, der in den sozialen Netzwerken der deutsche Spieler mit den meisten Followern ist und diese auch meist sympathisch an seinem Leben teilhaben lässt, wirkt in der realen Welt stets schüchtern und zurückhaltend. Neben dem Fußball ist ihm vor allem die Familie wichtig. Und der muslimische Glaube. Seine Großeltern waren nach Deutschland umgesiedelt. Als Kind musste er oft gebrauchte Sachen tragen, sprach zunächst nur Türkisch.
Özil spricht nicht viel, auch nicht beim Nationalteam,. Und wenn, hört sich das meist so an: „Es ist mein Ziel, auf dem Platz meine Leistung zu bringen.“
Löw ist Özil-Fan
Auf dem Rasen fühlt sich der begnadete Kicker dagegen wohl. „Auf dem Fußballplatz gibt es für mich keine Probleme“, schrieb Özil in seiner zusammen mit einem Ghostwriter verfassten Autobiografie, die den Titel trägt: „Die Magie des Spiels: Und was du brauchst, um deine Träume zu verwirklichen.“Aus der Gesamtschule Berger Feld in seiner Geburtsstadt Gelsenkirchen heraus wurden seine Träume Realität: Von Schalke ging es über Werder Bremen nach Spanien zum Topclub Real Madrid, dann weiter nach England zum FC Arsenal.
Özil genießt die Glitzerwelt und zugleich den Schutz des Profifußballs. Großen Anteil daran hat der Bundestrainer. Joachim Löw beförderte den jungen Özil bei der WM 2010 in Südafrika vom U21-Europameister zur Stammkraft im deutschen A-Team. Löw ist Özil-Fan. Wenn er über den schmächtigen Mittelfeldspieler spricht, klingt es nach Schwärmerei. „Er hat überragende Fähigkeiten, wie kaum ein anderer Spieler auf der Position. Er ist für uns extrem wertvoll. Diese Technik und diese letzten Pässe sind einfach genial.“Löw ist ein Fußballästhet.
Der 58-Jährige war es auch, der Özil aus der ersten Zerrissenheit zwischen türkischen Wurzeln und deutschen Lebensmöglichkeiten holte. Nachdem 2008 der damalige türkische Nationaltrainer Fatih Terim den jungen Özil für ein WMQualifikationsspiel gegen Bosnien nominieren wollte, reagierte der Bundestrainer sofort. In Aserbaidschan wurde der damals 20-Jährige von Löw als deutscher Nationalspieler festgespielt. Der DFB erkor ihn zu einem Musterbeispiel für Integration.
Es war nicht die einzige Rolle außerhalb des Platzes, die zu groß für Özil war.
Auch Steinmeier „ratlos“gemacht
Özils jüngstes Treffen mit Erdogan stieß in Deutschland auf viel Kritik. Selbst Merkel hatte sich über Regierungssprecher Steffen Seibert geäußert, die Situation habe Fragen aufgeworfen und zu Missverständnissen eingeladen.
Gündogan beschrieb am Dienstag in Südtirol den fragwürdigen Erdogan-Besuch von ihm und Özil in London und sprach dabei auch für Özil, der der Runde fernblieb: „Wir haben aufgrund unserer türkischen Wurzeln noch einen sehr starken Bezug zur Türkei. Das heißt aber nicht, dass wir jemals behauptet hätten, Herr Steinmeier sei nicht unser Bundespräsident oder Frau Merkel nicht unsere Bundeskanzlerin.“
Steinmeier rief dazu auf, Gündogan und auch Özil eine Brücke zu bauen. „Wenn jemand nach einem Rückweg sucht, soll man helfen“, sagte der Bundespräsident der Wochenzeitung „Die Zeit“. Allerdings sei auch er „ein bisschen ratlos“. Angesichts der Tatsache, dass beide Spieler in Deutschland groß geworden seien, hätte es Özil und Gündogan „nicht überraschen dürfen, dass ihr Treffen mit dem türkischen Staatspräsidenten Kritik auslöst“, sagte der Bundespräsident.