Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Professor diskutiert mit Leutkircher Schülern
Bassam Tibi zu Gast an der Geschwister-Scholl-Schule
LEUTKIRCH (sz) - Während seines Besuchs in Leutkirch ist der renommierte Politikwissenschaftler Bassam Tibi, Professor Emeritus für Internationale Beziehungen an der Universität Göttingen sowie weltweit gefragter Kenner des Islam, auch zu Gast an der GeschwisterScholl-Schule gewesen. Wie die Schule mitteilt, stellte er sich in einer etwa eineinhalbstündigen Diskussion den Fragen interessierter Schüler des beruflichen Gymnasiums.
Tibi, von dem der später vielfach verkürzt und sinnentstellend verwendete Begriff der „Leitkultur“als ein auf den in Grundwerten basierender und in europäischem Kontext zu betrachtender Wertekanon im Sinne einer für alle verbindlichen, gemeinsamen „Hausordnung“stammt, erläuterte demnach auf eine entsprechende Schülerfrage zunächst den alltäglich erfahrbaren Unterschied zwischen „Verfassungsnorm“und „Verfassungsrealität“. So sei es Aufgabe des Staates und aller Bürger, den im Grundgesetz festgeschriebenen, hohen Anspruch der Menschenwürde auch im Alltag umzusetzen.
Auf die Frage nach der Stellung des Islam in Deutschland antwortete der Professor, dass es „den Islam“ schlichtweg nicht gebe, sondern dass dieser selbst in Deutschland in deutlich unterscheidbaren Gruppen in Erscheinung trete. Wichtig für die Integration sei die Modernisierung des Islam im Sinne einer historischkritischen Auslegung vor dem Hintergrund der Menschenrechte und des Gedankenguts der Europäischen Aufklärung mit dem Ziel der Etablierung eines sogenannten „Euro-Islam“. Auf die Berührung zwischen Kulturen angesprochen, betonte Tibi, dass neben der Notwendigkeit von Wissen über die Eigenheiten der anderen Kultur für einen ergiebigen Austausch auch ein auf den eigenen kulturellen Werten basierendes Selbstbewusstsein dringend erforderlich sei. Fundierte Bildung sei hierfür unerlässlich. Auf den Syrienkonflikt und die Verhältnisse in Palästina angesprochen erläuterte Tibi die komplexen Ursachen vor Ort sowie die Rolle der USA, Russlands und der EU.
Die von Phillip Alt und Julian Buß, Fachlehrer für Geschichte und Deutsch sowie für Ethik, moderierte Diskussion war laut Mitteilung an der Schule von langer Hand vorbereitet worden. Standen bei dieser Diskussion im kleinen Kreis vor einem überschaubaren Publikum von etwa dreißig Schülern die persönliche Begegnung und der intensive Austausch im Vordergrund, so wandte sich Tibi, der an zwei Tagen an der GSS weilte, in zwei Vorträgen in der voll besetzten Aula jeweils an die gesamten Jahrgänge 11 und 12 des beruflichen Gymnasiums. In den beiden Referaten zu den Themen „Islam in Deutschland“und „Interkulturelle Begegnung“bekamen die Schüler nicht nur Informationen zu hochaktuellen gesellschaftlichen Themen aus erster Hand, sondern lernten durch persönliche Anekdoten und Erlebnisse auch den Menschen Bassam Tibi kennen.