Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Neues Sex-Gesetz in Schweden umstritten
Künftig gilt die Devise „Nur Ja heißt Ja“– Zustimmung muss eindeutig erkennbar sein
STOCKHOLM (dpa) - In Schweden ist seit Sonntag ein umstrittenes SexGesetz in Kraft. Ohne erkennbare Zustimmung des Partners gilt der Akt als Vergewaltigung. Das ist eine härtere Regelung als in Deutschland – und birgt noch viele Probleme.
Das neue Gesetz, das seit diesem Sonntag in Kraft ist, ist sehr umstritten. Es folgt dem Grundsatz, dass Sex freiwillig sein muss. Beide Partner müssen ihm erkennbar – verbal oder nonverbal – zustimmen. Alles andere wird als Vergewaltigung gewertet, auch wenn sich der Partner nicht körperlich wehrt oder Nein sagt. Passivität soll also nicht länger als stilles Einverständnis interpretiert werden können. Doch wie das Einverständnis gegeben und im Zweifel auch vor Gericht nachgewiesen werden kann, ist hoch umstritten. Reichen beispielsweise Küsse aus als Zeichen der Zustimmung? Um ganz sicher zu sein, höhnten manche, müsse man eigentlich einen Vertrag unterschreiben.
Der schwedische Justizminister Morgan Johansson rechnet damit, dass durch das neue Gesetz mehr Vergewaltiger verurteilt werden. „Es wird sicher einige Jahre dauern, bis sich die Praxis durchgesetzt hat. Aber ich verspreche: Danach wird niemand zurück zur alten Gesetzgebung wollen. Wenn dieser Schritt getan ist, ist er getan“, sagte er dem schwedischen Radio.
Die nach eigener Einschätzung feministische schwedische Regierung hatte die Gesetzesänderung im vergangenen Jahr während der heftigen #MeToo-Debatte vorangetrieben. Die Kampagne gegen sexuelle Belästigung hatte im für seine Gleichberechtigung bekannten Schweden besonders hohe Wellen geschlagen.
In Deutschland hatte der Vorschlag zunächst für viel Spott über das augenscheinlich „prüde“Schweden gesorgt. Sex werde damit zu einem komplizierten Akt. Hierzulande wurde das Sexualstrafrecht 2016 reformiert. Seitdem heißt der Grundsatz „Nein heißt Nein“. Demnach muss ein Vergewaltigungsopfer aktiv werden und mit Worten oder Gesten zum Ausdruck bringen, dass es keinen Sex möchte.
Bisher gebe es mit diesem Grundsatz wegen der langen Verfahrensdauer noch kaum Erfahrungen, sagt Katja Grieger vom Bundesverband der Frauenberatungsstellen. Es sei zu früh zu sagen, ob eine weitere Reform nach schwedischem Vorbild sinnvoll sein könnte.
In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sprach sich zu Jahresbeginn fast jeder zweite Befragte dafür aus, ein ähnliches Gesetz auch in Deutschland einzuführen. Dabei steigt nach Einschätzung einer Mehrheit allerdings auch die Gefahr, zu Unrecht einer Vergewaltigung beschuldigt zu werden. Und auch die Stimmung im Schlafzimmer sehen viele gefährdet. Mehr als die Hälfte der Befragten fürchtete, Sex werde dadurch ziemlich unromantisch zu einer formellen Angelegenheit.