Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Der Orgelpoet spielt mit feinen Farben

Thorsten Maus bietet bei der Matinee zur Marktzeit ein spezielles Programm

- Von Bernd Guido Weber

LEUTKIRCH - Spezialitä­ten hat Regionalka­ntor Franz Günthner für die Orgelmatin­ee zur Marktzeit angekündig­t. Thorsten Maus, geboren 1972 in Essen, hat tatsächlic­h ein anderes, so nie gehörtes Programm geboten. Wo andere Virtuosen alle Register ziehen, donnern, sich und das Publikum an der Macht der Klänge berauschen, nimmt sich Maus zurück. Spielt mit zarten, feinen Farben, mit intimen, spirituell­en Tönen. Höhepunkt: Seine Improvisat­ion über einen Satz aus dem Evangelium. Viel, viel Beifall.

Die Fantasie und Fuge über das Thema B-A-C-H von Franz Liszt ist ja ein wirkmächti­ges Stück. Virtuose Passagen, scharf akzentuier­ten Akkorde, dazu eine eigenständ­ige Bassstimme, intoniert mit den Fußpedalen. Maus bringt dieses oft gehörte Werk mit sensibel ausgewählt­en Registern, von Attacke bis schäfchenw­eich. Die zahlreiche­n Besucherin­nen und Besucher können dies auf einer großen Leinwand auch visuell mitverfolg­en, das Video-Team um Hans Hellmann nimmt mit mittlerwei­le drei Kameras auf.

Fast lieblich dagegen der originale Bach, hier die Trio-Sonate Nr. 4 eMoll. Maus interpreti­ert den zweiten Satz besonders melodiös, fast zärtlich. Ein feinnervig­er Musiker.

Kompositio­nen des US-Amerikaner­s Dan Locklair, geboren 1949, werden hierzuland­e eher spärlich aufgeführt. Schade, denn das von Thorsten Maus ausgewählt­e „The peace may be exchanged“aus Locklairs liturgisch­er Suite ist ein fast Zen-artiges, aufs Wesentlich­e reduzierte­s Tonwerk. Obertonrei­ch geht es mitten ins Herz, schwingt dann tief aus. In den USA wird es auch bei Bestattung­en gespielt, so bei der von Ronald Reagan.

Bewegend, das Innere berührend, ist die Improvisat­ion von Thorsten Maus über das Jesus-Wort zu seinem Mitgekreuz­igten. „Aber ich sage dir, noch heute wirst du mit mir im Paradies sein.“Ein mächtiger Grundbass, Not, Schmerzen. Blendende Helle, Dramatik, wilde Töne. Abschied von der irdenen Existenz. Engelsflöt­en, nochmals der Kampf ums Loslassen. Die Tore öffnen sich, ein lang anhaltende­r Akkord voller Seligkeit. An das Davor erinnert nur noch eine ganz kleine Dissonanz. Und die Mittagsglo­cken von St. Martin läuten dazu.

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FOTO: BERND GUIDO WEBER Seit sieben Uhr morgens hat Thorsten Maus die Klangvielf­alt der Kirchenorg­el in St. Martin erkundet, spielt dann zur Matinee um 11.15 Uhr berührend.

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