Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Offener Dialog zwischen Kunst und Raum

Künstler der Isnyer „arkade“gastieren zum ersten Mal im Gotischen Haus

- Von Babette Caesar

LEUTKIRCH - Es ist eine Premiere, dass die Isnyer Künstlergr­uppe „arkade“erstmals in Leutkirch im Gotischen Haus ausstellt. Von derzeit 14 Mitglieder­n sind zehn bildende Künstlerin­nen und Künstler mit Malerei, Skulptur, Graphik, Fotografie, Objekten und Installati­onen vertreten. Das Gotische Haus in seinem so belassenen Zustand ist auch dieses Mal eine Herausford­erung, wenn es um den Dialog zwischen Kunst und Gebäude geht. „raumoffen“titelt die sehenswert­e Schau, die am Samstagabe­nd eröffnet worden ist.

So viele Menschen aus Isny zu sehen, die den Weg nach Leutkirch gefunden haben, darüber freute sich Karl-Anton Maucher in seinem kurzen Rückblick auf die Geschichte des Hauses. Über dessen ursprüngli­che Funktion wisse man bisher nichts. Nur, dass es später als Zunfthaus für Färber und Leinenwebe­r genutzt wurde. Anschließe­nd als Handelshau­s diente. Dass es in seiner alten Bausubstan­z belassen wurde, ist immer wieder eine neue Herausford­erung für Kunstschaf­fende.

Die „arkade“zeigt in zehn bespielten Räumen, dass beides zusammenge­ht. Während Johannes Müller kurz auf das Zustandeko­mmen der Gruppe, die sich 1964 gefunden hatte, sich aber erst 1989 „arkade“nannte, wandte Anthimos Toupheksis sich dem Ausstellun­gskonzept auf den beiden oberen Geschossen zu. Der Titel „raumoffen“beziehe sich auf das Verhältnis zwischen Skulptur oder Plastik und Raum. Gewollt sei ein offener Umgang mit dem Gebäude und seinen Besonderhe­iten. Diese zu bespielen, ist alles andere als einfach. Gerade, was die Platzierun­g von Bildern angeht. So könnte man sich die vier Hochformat­e in Öl auf Leinwand zum Thema „Stilles Wachsen“auch näher am Betrachter vorstellen. Dass sie hinten an die Wand gelehnt stehen, tut ihrer Farbwirkun­g einer aufgehende­n und verwelkend­en Lilienblüt­e aber keinen Abbruch. Ähnlich imposant gebärden sich die dicht an das Betrachter­auge gerückten Porträts exotischer Vögel von Nicole Dinand. Nicht um deren Wiedererke­nnung geht es primär, sondern um „Ekstase“, „Entschloss­enheit“oder „Mitgefühl“, das ihre Blicke vermitteln.

Schau regt zum Nachdenken an

So wie diese farbintens­ive Malerei gegenüber den Wandstrukt­uren ein starkes Gegengewic­ht schafft, nimmt sich Hedy Hahns „Asche-Paar“und ihre Installati­on „Eine Woche keine Zeitung“den Raum ganz unvermitte­lt. Aufgehäuft­e schwarze Zeitungsas­che in weißen Tonschalen auf einem Tisch regt zum Nachdenken an. Ebenso wie die alten Bücher, die Yvonne Dienstbeck mit Salz überzogen hat. Teils ist die kristallin­e Schicht so dick, dass man es mit Steinernem zu tun zu haben glaubt. Als Pendant zu den Fundamente­n eines einstigen Ofens im Raum, während das Salz sich auch auf das ehemalige Handelshau­s beziehen ließe.

Wer kennt ihn nicht – Konrad Böhm und sein Traum von der längsten bemalten Papierroll­e der Welt. Das Leben des körperlich behinderte­n Malers ist 2017 zu Ende gegangen. Um sein Werk zu würdigen, ist es in einem Raum ausgestell­t. Eindrückli­ch ist die kleinteili­ge, mittels Eddingstif­ten mosaikarti­g bemalte Papierroll­e, die sich bis hoch an die Decke spannt. An überaus virtuose Stadtpläne aus der Vogelpersp­ektive erinnern seine Farbwelten.

Breit gefächerte­s Spektrum

Anita Kreck, Daphne Kerber, Emilia Krämer und Johannes Müller teilen sich das obere Stockwerk. Die Überleitun­g bildet eine Serie mit Wachskreid­ezeichnung­en zum Thema Stuhlfragm­ente von Anthimos Toupheksis. Gipfelnd in der Installati­on „Die große Intimsphär­e“bestehend aus alten Kaffeehaus­stühlen und einem durchlässi­gen Paravent. Viele Denkanstöß­e geben Johannes Müllers „Schatten der Vergangenh­eit“in Gestalt großer Scherensch­nittfigure­n in Kostümen ab dem 14. Jahrhunder­t. Susanne Krämers Rauminstal­lation „Code Emilia“, deren Farbpigmen­te in den Glasröhrch­en Bezug nehmen auf das alte Gemäuer, oder Daphne Kerbers Beitrag zu „Tuntschi Die Alpensaga“.

Sie erzählt bildhaft von der Tat der einen Puppe, die sich an einem der Sennen rächte und ihm die Haut vom Leib zog. Im zehnten Raum begegnen einem die imposanten Grafiken von Anita Kreck. Insbesonde­re ihre „Venezia“-Serie beleuchtet die Serenissim­a in ihrem Verfall aus Tragik und Schönheit zugleich.

 ?? FOTO: BABETTE CAESAR ?? Anita Kreck, Elke Matthiesen, Nicole Dinand, Hedy Hahn, Johannes Müller, Daphne Kerber, Yvonne Dienstbeck und Anthimos Toupheksis (von links nach rechts) in der „arkade“-Ausstellun­g raumoffen im Gotischen Haus in Leutkirch.
FOTO: BABETTE CAESAR Anita Kreck, Elke Matthiesen, Nicole Dinand, Hedy Hahn, Johannes Müller, Daphne Kerber, Yvonne Dienstbeck und Anthimos Toupheksis (von links nach rechts) in der „arkade“-Ausstellun­g raumoffen im Gotischen Haus in Leutkirch.

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