Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Im Weißweinparadies
Spezielles Mikroklima und einmaliger Sortenreichtum prägen Italiens nordöstlichste Provinz Friaul
Forum Julii, der Marktplatz des Julius. Daraus wurde – Dialektforscher können Mundfaulheit als Ursache nicht ausschließen – Friuli (Friaul). Ein Name war geboren. Julius Caesar hatte den Marktflecken Cividale gegründet, der heute mit seiner malerischen Teufelsbrücke (Ponte del Diavolo) über die Natisone-Schlucht und zahlreichen Reliquien aus langobardischer Zeit ein Glanzlicht für Friaul-Reisende bedeutet. Wie der himmlische Schinken aus San Daniele oder ein aromatischer Grappa. Oder fabelhafte Weine. Doch eines nach dem anderen.
Die nationale Zugehörigkeit wechselte in diesem zwischen Udine und Triest angesiedelten, malerisch hügeligen Landstrich mehrfach. Nach den Eroberern aus der Ewigen Stadt, den Langobarden, Franken und Venezianern prägten vor allem die österreichischen Habsburger die Geschicke, ehe schließlich die Angliederung an Italien erfolgte.
Weinbau ist im Friaul seit der Bronzezeit nachgewiesen. Fortgeführt wurde er, wie bei Plinius dem Älteren und Vergil nachzulesen, einmal mehr von den Römern in ihrem ganz offensichtlich liebsten Zeitvertreib – neben dem Unterwerfungsstress mit diversen widerspenstigen Stämmen quer durch Europa, Kleinasien und Nordafrika. Die Brücke zur Gegenwart haben schließlich, nach der für den Weinbau ruinösen feindlichen Übernahme durch die Langobarden – langobarbarisch eben –, die Mönche des Benediktinerordens mit verdienstvoller, nur bedingt altruistischer Rekultivierungsarbeit geschlagen.
Mit seinen alpinen Einflüssen bei gleichzeitig mediterraner Prägung wartet das Friaul mit einem Mikroklima auf, das in Europa für Weißweine einzigartig ist. Regenreiche Monate im Frühjahr beschleunigen den Wachstumszyklus, trockene heiße Sommer treiben die Reifung voran, sorgen für Aromenreichtum und Fruchtfülle. Beste Voraussetzungen für optimale Säurewerte liefern im Norden die Karnischen und im Osten die Julischen Alpen mit ihren kühlen Strömungen und schützen zugleich vor einem Übermaß an direkten kalten Winden. Die Öffnung zu Adria und Poebene fördert die Zirkulation der Luftmassen.
Die prächtigsten Weine eines spektakulären Sortenreichtums kommen aus den Gebieten des Collio und der Colli Orientali del Friuli.
Aber auch in den Anbauzonen Grave del Friuli, Isonzo, Aquileia, Carso und Latisana sind Produkte tadelloser Winzerarbeit anzutreffen.
Weißweine in singulärer Vielfalt
Bemerkenswert sind die Ursprünge der singulären Sortenvielfalt. Der französische Graf Theodore de la Tour erkennt anno 1868 das önologische Potenzial des hügeligen Terroirs nahe Capriva del Friuli. Dort werden seiner ihm ehelich frisch verbandelten Habsburger Baronesse aus Gorizia (ehedem Görz) einige Hektar Land als Brautausstattung dreingegeben. Er importiert die Reblinge seiner gallischen Heimat, und weil dies vor dem strengen Auge des Gesetzes keine Gnade findet, in Stiefelschacht und Blumenstrauß, sofern die Mär nicht flunkert. Das Weingut
Villa Russiz ist aus der Taufe gehoben und die übergesiedelten Sorten gliedern sich in die Rebgärten der ganzen Region ein.
Unter den Weinen aus autochthonen Rebsorten kommt dem Friulano eine Sonderstellung zu. Ein Klassiker, der zum Friaul gehört wie Piaggios Vespa zu Italien. Lange als Tocai oder Tocai Friulano bezeichnet, darf er seit 2008 nur noch Friulano heißen, um Verwechslungen mit dem ungarischen Tokajer zu vermeiden. Ein überragender Vertreter mit ausgeprägter Mineralität, subtilem Bittermandelton, frischer, aber nicht fordernder Säure und feinen Fruchtnoten wird von Villa Russiz in Capriva del Friuli präsentiert, gezogen auf den kargen Ponca-Böden (Kalkstein) des Collio. Zuweilen scheinen zarte Anklänge an einen Sauvignon erkennbar. Nicht von ungefähr – jenseits der Grenze im slowenischen Teil des Collio wird der Friulano auch Sauvignonasse genannt.
Bei Villa Russiz zeichnen der junge Önologe Giovanni Genio und
Mario Zuliani als selbstständiger beratender Önologe verantwortlich für eine Palette von Weinen brillanter Qualität. Vorzüglich zeigen sich auch die Friulano von Russiz Superiore in Capriva, Franco Toros in Novali bei Cormons und Vigne
di Zamò (Cinquant‘ anni) in Rosazzo Manzano.
Duftig wie ein Maiblumenstrauß, mit einem Hauch Zitronengras und Ginster, harmonischer Struktur, elegant und ohne jedes Imponiergehabe vermag ein Ribolla
Gialla zugleich zu schmeicheln und zu erfrischen. Ein Musterbeispiel für diesen nirgendwo anders auf der Welt zu findenden Rebsortenwein ist
der von Alessandra Felluga auf Castello di Buttrio. 2007 baute die Tochter des großen Marco Felluga (Russiz Superiore) ihre ersten eigenen Weine aus, heute gehört sie mit einer durch und durch homogenen Serie außerordentlicher Gewächse zur Spitze der Produzenten in den Colli Orientali del Friuli und damit im gesamten Friaul. Brava!
Von den Burgundersorten kann der oft intensiv gelbtönige Pinot Grigio in seinen besten Erscheinungsformen mit kraftvollem Körper, vielschichtigen Fruchtaromen und leicht rauchigem Charakter punkten. Zum vielgefragten Modewein geworden, bleiben aber dort, wo die Erträge gesteigert wurden, Enttäuschungen nicht aus. Dagegen ist der vom Konsumenten oft sträflich vernachlässigte Pinot Bianco mit nobler Eleganz und delikaten Fruchtaromen (Birne, Quitte, Akazienhonig) ein kongenialer Begleiter von feinen Antipasti, Fisch oder Meeresfrüchten. Die Mühen des Weges zu Villa Russiz werden auch hier mit einem gloriosen Rinnsal für den Gaumen aufgewogen.
Famose Sauvignons
Im internationalen Konzert der weißen Preziosen geben qualitativ famose, komplexe Sauvignons von Kalkböden mit Tönen nach Stachelbeere, Weinbergpfirsich und Paprika, feingliedrigem Körper und frischer Säure, Mineralität und Rasse markant mehr als nur den Stehgeiger. Der Vergleich zur Virtuosität eines Paganini drängt sich auf für den meisterhaften Sauvignon de la Tour von Villa Russiz – zu einem grünen Spargel genossen, scheint er mit diesem einen sensorischen Dialog zu führen – und für die fulminant komplexe Einzellagen-Riserva Sauvignon Ettaro vom Castello di Buttrio mit Tönen nach Johannisbeerblättern, Fenchel und Jasmin, in bestechender
Allianz mit den dezenten Röstnoten des Barrique. Immer eine Suche wert sind auch die Sauvignons von Franco Toros und Volpe Pasini
(Zuc di Volpe) in Togliano.
Bei den Chardonnays stehen die grazilen, an Aromen von grünen Äpfeln, Zitrusfrüchten und Ananas erinnernden, vom kargen Terroir sehning-schlank geprägten Gewächse neben der Variante, die vom Ausbau im Holz eine cremige Struktur und Anklänge an exotische Früchte, Nüsse, Vanille und Getoastetes aufweist. Als Prima Ballerina schwebt der
Chardonnay Gräfin de la Tour von Villa Russiz über die Zunge. Famos
auch der Chardonnay S. Elena von Petrussa in Prepotto. Malvasia, Verduzzo, Riesling Renano und Italico, die süß ausgebauten Ramandolo (Giovanni Dri, Il Roncat) und Picolit (Giovanni Dri) sowie Traminer Aromatico (La Ruggine mit Botrytis von Castello di Buttrio) vervollständigen den Sortenspiegel.
Artgerechte Verwendung an lauen Sommerabenden wirkt unerwünschtem Austrocknen entgegen … Brindisi!