Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Italiens harter Migrationskurs zwingt EU-Partner zu Zugeständnissen
Die Regierung in Rom kennt kein Pardon: Wieder lässt sie gerettete Migranten stundenlang im Mittelmeer ausharren
ROM (dpa/KNA) - Italiens Blockadehaltung in der Migrationsfrage hat EU-Partner zu Zugeständnissen bewegt. Am Sonntag erklärte sich Deutschland wie zuvor Malta und Frankreich bereit, 50 der insgesamt 450 Migranten aufzunehmen, die am Samstag im Mittelmeer gerettet worden waren. Trotz der zugesagten Unterstützung war am Sonntag zunächst unklar, wann und wo die Geretteten an Land gehen können. Ein italienisches und ein Frontex-Schiff warteten laut Nachrichtenagentur Ansa weiter auf Zuweisung eines Hafens.
In den vergangenen Wochen hatte die italienische Regierung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega mehrfach Schiffe mit geretteten Migranten auf dem Meer blockiert. Hilfsorganisationen wurde die Einfahrt in italienische Häfen verwehrt. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen kritisierte die erneute Blockade. Eine „gemeinsame, vorhersehbare und wirksame Einigung“, wie mit aus Seenot Geretteten verfahren werden soll, „würde Zeit sparen, das Leiden verringern und Politiker davon abhalten, in einen Wettstreit zu treten, wer am wenigsten Verantwortung übernimmt“, schrieb UNHCR auf Twitter.
Italien hatte sich am Freitag geweigert, ein Holzboot in einen Hafen einlaufen zu lassen, welches Medienberichten zufolge von Libyen aus gestartet war. Auch Malta fühlte sich nicht zuständig. Am Samstag wurden die Menschen schließlich an Bord der Militärschiffe genommen – doch es war ungewiss, was mit ihnen passieren sollte.
Während der rechte Innenminister Matteo Salvini den Rücktransfer der Migranten nach Libyen ins Spiel brachte, wählte Ministerpräsident Giuseppe Conte mit Außenminister Enzo Moavero Milanesi den Weg der Diplomatie. Conte schrieb Briefe an EU-Kommissionspräsident JeanClaude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk sowie an die EU-Staatsund Regierungschefs. Letztere forderte er zu einem „unmissverständlichen Zeichen“geteilter Verantwortung im Geist des EU-Gipfels Ende Juni auf. Dort hatte Conte darauf gedrungen, dass die übrigen Mitgliedsländer Italien mehr Flüchtlinge abnehmen und sich an der Aufnahme aus Seenot geretteter Menschen beteiligen.
Die Regierung feierte die Unterstützung der EU-Partner wie einen Durchbruch. Transportminister Danilo Toninelli von den Fünf Sternen twitterte, die Regierung habe in 45 Tagen mehr Ergebnisse erzielt als in vielen Jahren zuvor. Salvini twitterte: „Willen ist Macht.“Mehrere Bischöfe der katholischen Kirche in Italien haben am Wochenende die Blockaden kritisiert. Tschechien kündigte indes an, keine der geretteten Migranten aufnehmen zu wollen.
Die spanische Seenotrettung und die Küstenwache retteten am Samstag Medienberichten zufolge rund 330 Migranten, die auf Booten in der Meerenge von Gibraltar und im Alborán-Meer zwischen der Iberischen Halbinsel und Nordafrika unterwegs waren. Sie wurden zu Häfen in Andalusien gebracht.