Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
RTL besorgt blinder Masseurin Praktikum
Job bei den Städtischen Rehakliniken in Bad Waldsee– Absagen trotz Traumnote „1“
BAD WALDSEE - Dass sich Menschen mit Handicaps trotz vieler Inklusionsbemühungen auf dem Arbeitsmarkt schwertun, hat auch die angehende Masseurin Sonja Mohr erfahren müssen. Obwohl die nahezu blinde Frau ihre dreijährige Ausbildung in Nürnberg mit einer Spitzennote abschloss, erhielt sie auf ihre Bewerbungen für ein Anerkennungspraktikum nur Absagen. Bis sie mit Unterstützung eines RTL-Fernsehteams auf die Städtischen Rehakliniken Bad Waldsee aufmerksam wurde: Therapieleiter Peter Gerstlauer bewies Herz und die 22Jährige beginnt hier ab 1. September ihr sechsmonatiges Praktikum.
Seit der Beitrag über die sehbehinderte Frau am Donnerstag um 12 Uhr im RTL-Mittagsjournal ausgestrahlt wurde, ist Gerstlauer an seinem Wohnort fast selbst ein „Medienstar“. Dabei hat er die Fernsehsendung gar nicht gesehen. „Meine Frau hat mich im Büro angerufen und dann kam auch schon eine WhatsappNachricht nach der anderen“, berichtet der 57-Jährige von der großen Resonanz auf diese Geschichte mit Herz, die in den sozialen Netzwerken vielfach geteilt wurde.
„Aber wir haben Sonja Mohr nicht fürs Fernsehen eingestellt, sondern weil wir uns im Bewerbungsgespräch von ihrer Begabung für diesen Beruf und von ihrer Begeisterungsfähigkeit überzeugen konnten und ihr diese berufliche Chance gerne geben wollten“, sagt Gerstlauer. Die Werkleitung habe sofort „grünes Licht“gegeben und das ganze Team freue sich, dass Mohr ihre dreijährige Ausbildungszeit nun mit demnotwendigen Praktikum krönen und erfolgreich abschließen könne.
Die örtlichen Rehakliniken haben schließlich schon mehrfach positive Erfahrungen gemacht mit Kollegen, die ohne Augenlicht „einen glänzenden Job abliefern“, wie Gerstlauer bestätigen kann. „Blinde sehen nicht mit den Augen, sondern mit ihren Händen. Sie haben einen ausgeprägten Tastsinn, weil sie visuell durch nichts abgelenkt werden, und damit sind sie besonders gut geeignet für das Berufsbild des Masseurs und medizinischen Bademeisters“, weiß der Therapieleiter aus langjähriger beruflicher Erfahrung in den Kliniken. Dass die sehbehinderte Frau aus Nürnberg Power hat und ihren Berufswunsch mit großem Elan verfolgt, begeisterte auch RTL-Reporterin Silke Bunners. Die Journalistin begleitete die sehbehinderte Auszubildende auf dem Weg in ihren Traumberuf als Masseurin und medizinische Bademeisterin. Ihre Lehre absolvierte Mohr im Klinikum Süd in Nürnberg, wo sie auch prompt mit der Traumnote „1“abschloss. Doch dann begannen die Probleme: Landauf, landab war kein Arbeitgeber bereit, der im Alter von drei Jahren in Folge eines Hirntumors Erblindeten eine Stelle zu geben. Dabei ist dieses Praktikum verpflichtender Abschluss ihrer dreijährigen Ausbildung.
Offenbar tun sich trotz aller Inklusionsbemühungen immer noch viele Arbeitgeber schwer damit, Menschen mit Handicaps bei gleicher Eignung bevorzugt einzustellen. „Bei den Gesprächen waren alle freundlich zu mir, doch hinterher ka- men immer nur Absagen. Sogar auf Stellen, die danach noch monatelang als ,frei’ im Internet auftauchten“, wird Mohr im RTL-Mittagsjournal zitiert. Erst nachdem Mutter Mohr die Antidiskriminierungsstelle des Bundes anrief und sich Reporterin Bunners ans Telefon hing, nahm diese unrühmliche Geschichte die erhoffte Wendung.
Und sie spielt künftig in Bad Waldsee. „Wo sollte hier das Problem sein? Das sind Kollegen wie alle anderen auch“, weiß Gerstlauer, der für seine soziale Einstellung bekannt ist. Und ein Zimmer hat der neue Arbeitgeber Mohr auch gleich besorgt: im Personalwohnheim beim Maxibad, wo sie ab September ihre Berufsausbildung zum Abschluss bringen wird.