Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Gericht setzt Frist bei Fahrverboten
Der Landesregierung droht ein Zwangsgeld – Über 180 000 Euro-5-Diesel allein in der Region Stuttgart unterwegs
STUTTGART (tja) - In der Debatte um Dieselfahrverbote hat die grünschwarze Landesregierung eine weitere Schlappe vor Gericht erlitten. Das Verwaltungsgericht Stuttgart droht dem Land ein Zwangsgeld an, sollte es nicht bis Ende August einen Termin für Fahrverbote für Euro-5Diesel festgelegt haben. Bislang sehen Grüne und CDU verbindlich nur Verbote für ältere Diesel vor. Diese treten 2019 in Kraft.
STUTTGART - Dieselfahrer und die Landesregierung haben seit Freitag eine Gemeinsamkeit: Ihnen droht mehr Ungemach als gedacht. Anders als von Grünen und CDU vorgesehen, könnten Fahrverbote für Diesel mit Euro-Abgasnorm 5 schon 2019 kommen. Das Stuttgarter Verwaltungsgericht fordert entsprechende Maßnahmen. Damit könnte ein mühsam ausgehandelter Kompromiss der Regierungspartner platzen.
Stuttgart hat bekanntlich ein Problem mit seiner Luft. Am vielbefahrenen Neckartor werden regelmäßig die Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stickoxide überschritten. Damit verstößt die Landeshauptstadt gegen Vorgaben der Europäischen Union, ebenso wie rund weitere 30 Städte im Land, darunter Ravensburg und Reutlingen. Während die meisten anderen Kommunen die Werte wohl ohne Fahrverbote senken können, wird das in Stuttgart schwierig. Dennoch sahen die entsprechenden Luftreinhaltepläne von Land und Stadt Verbote lange nicht vor. Der Verein Deutsche Umwelthilfe (DUH) klagte und bekam recht, zuletzt vom Bundesverwaltungsgericht Leipzig. Das hält Fahrverbote in Stuttgart für verhältnismäßig. Der Schutz der Gesundheit sei höher zu bewerten als Rechte der Autobesitzer.
CDU: Beschluss nicht akzeptieren
Obwohl die CDU Verbote bis zuletzt verhindern wollte, stimmte sie unter dem Druck des Urteils einem Kompromiss zu. Fahrverbote für Diesel der EU-Normen 1 bis 4 sollen ab 2019 gelten. Ausnahmen sind unter anderem für Anwohner und Handwerker vorgesehen. Diesel mit EU-Norm 5 können demnach zwar auch mit Verboten belegt werden. Doch bevor das geschieht, wollen Grüne und CDU Stuttgart Mitte 2019 prüfen, ob bis dahin andere Maßnahmen greifen.
Der Kompromiss reicht den Stuttgartern Richtern nicht. Sie drohen dem Land ein Zwangsgeld von 10 000 Euro an, sollte es seine Pläne nicht bis Ende August ändern. Höhere Strafen sind gesetzlich nicht vorgesehen, sie können aber mehrfach verhängt werden, bis ein Urteil umgesetzt ist. Die Regierung muss demnach festlegen, ab wann Fahrverbote für Euro-5-Diesel gelten könnten. Diese müssten spätestens ab September 2019 in Kraft treten, wenn sie dann angesichts der Luftverschmutzung weiter verhältnismäßig erscheinen. Betroffen wären mehr als 180 000 Fahrzeuge in der Region Stuttgart. SPD und FDP halten nichts von Verboten – sie sehen darin eine Enteignung der Fahrzeugbesitzer. Die SPD pocht darauf, die Autoindustrie in die Pflicht zu nehmen. Diese müsse für Nachrüstungen zahlen. Denn viele Fahrzeuge mit EU-5-Norm stoßen mehr Abgase aus als erlaubt.
Gegen den Beschluss kann die Landesregierung Beschwerde einlegen. Ob sie dies tut, will sie nach Angaben eines Sprechers entscheiden, wenn die Urteilsbegründung vorliegt. Das könnte in etwa vier Wochen der Fall sein. Für die CDU forderten Fraktionschef Wolfgang Reinhart und Generalsekretär Manuel Hagel am Freitag, auf jeden Fall Beschwerde einzulegen. Damit legten sie sich schneller fest als Regierungsvize Thomas Strobl (CDU). Dessen Sprecherin sagte: „Seriöser Weise muss man die Begründung zunächst prüfen. Im Zweifel gilt aber, dass alle Rechtsmittel auszuschöpfen sind“.