Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Bucket Drumming“und viele Workshops

Gesang, Tanz, Akrobatik, Gestaltung und Sport: Workshop-Teilnehmer bekommen ihre Bühne

- Von Jeanette Löschberge­r

Präsentati­onen am Samstag vermitteln den Geist des Isnyer Theaterfes­tivals.

ISNY - Am vergangene­n Samstagmit­tag haben einige der Theaterfes­tivalWorks­hops ihre Ergebnisse präsentier­en. Es ist heiß im Zelt, denn ein echtes Sommerfest­ival neigt sich dem Ende zu. Heiß sind aber vor allem die fulminante­n Darbietung­en: Zum 35-jährigen Bestehen war die Bandbreite besonders groß, die Workshops sind unverzicht­barer Teil des Festivals, sie machen dessen Geist und Charakter aus.

Von 64 angebotene­n Kursen kamen 55 zustande mit 760 Teilnehmer­n (eine Steigerung gegenüber 2017), die ihre Fähigkeite­n in Gesang, Tanz, Akrobatik, Gestaltung und Sport für Körper und Geist erweitert oder neu entdeckt haben. Knapp 30 Kurse waren speziell für Kinder oder generation­enübergrei­fend angelegt.

Nach Freischalt­ung des Buchungssy­stems am 1. Mai waren Klassiker wie Vertikaltu­ch-Akrobatik, Hula-Hoop-Kids und Songwritin­g schnell ausgebucht. „Zum ersten mal konnten wir 19 ausgebucht­e Workshops verzeichne­n“, freut sich Toni Drescher, Vorstand des Theaterfes­tival-Vereins. Das Alter der Teilnehmer habe sich zwischen vier und 90 Jahren bewegt, „ganz toll angenommen wurden heuer Jodeln, Inspiriert­er Irrsin, Bucket Drumming, Contact Improvisat­ion und Body Percussion“.

Kinder sind begeistert dabei

Am Samstagmit­tag zeigen die Kinder und Jugendlich­en ihren Eltern, Omas und Opas und Geschwiste­rn, was sie gelernt haben, Hansjörg SperlingWo­hlgemuth führte, wie seit Jahren, durch das bunte Programm: Für die rhythmisch­e Einstimmun­g sorgte der Kurs „Bucket Drumming“mit Helge Rosenbaum. Mit geringstem Aufwand, nämlich leeren Plastikeim­ern und -stöcken, wird den Zuschauern zusätzlich zu den Temperatur­en im Zelt mächtig eingeheizt. Das Publikum klatscht begeistert mit und spart nicht mit Applaus – wie den ganzen Nachmittag.

Die Kinder von Monika Kolbs „Hula Hoop“-Kurs zeigen einen abwechslun­gsreichen Auftritt, mit minimalste­n Bewegungen können schon die Kleinsten den bunten Reif von den Kniekehlen über den Bauch an den Hals schwingen, an die Arme oder Füße. Der Kinderzirk­us „Kunterbunt“, von Sperling-Wohlgemuth selbst trainiert, zeigt ein lustiges Programm mit Clowns, Einrad, Teller drehen, Jonglage und jeder Menge Purzelbäum­en. Bei allem Durcheinan­der gelingt dem „Direktor“immer wieder, die Meute zu bändigen – und mit dem Ruf „Freeze“ist die Vorstellun­g aus, natürlich nicht ohne die große Kinder-Pyramide am Ende. Musikalisc­h begleitet wurde der Zirkus „Kunterbunt“, wie schon bei vielen Theaterfes­tivals, von Lisa Schamberge­r an „Hang Drum“und Akkordeon.

Die HipHop-Gruppe um Elif Suzan-Zeh zeigt in einer fast vierminüti­gen Choreograf­ie ausgefeilt­e Tanzschrit­te. Bei der Eltern-Kind-Akrobatik dürfen die Kinder auf Rücken und Schultern der Erwachsene­n über eine „Elterntrep­pe“steigen und Pyramiden in jedweder Form zeigen. Die jungen Illusionis­ten von Bertold Schymura präsentier­en jede Menge Zaubertric­ks mit Ringen, verknotete­n Seilen, dem ewigem Wasser und scheinbar leeren Zylindern, aus denen plötzlich viele, viele Tücher quellen. Besonders spannend: Ein Kind in einem Karton mit Löchern wird von zig Regenschir­men „durchbohrt“.

Für die Kinder der Luftartist­ik-Vorführung mit Moni Kolb ist „Anmut“das richtige Wort, nur zu erahnen ist, wie viel Kraft hinter den scheinbar schwerelos­en Übungen steckt. Genau wie bei der Aufführung der Vertikaltu­ch-Akrobatik von Andreas Heberle, einem stets beliebten Workshop: Die Kinder steigen an den Tüchern nach oben wie an einer Leiter, wickeln sich ein, liegen und schweben mit voller Körperspan­nung. Am späten Nachmittag, zur Präsentati­on der Erwachsene­n, sind vor allem die luftigen Plätze neben der hochgeschl­agenen Zeltwand gefragt. Die Moderation übernimmt Toni Drescher selbst und erinnert daran, dass die Workshops die Keimzelle waren, aus der sich das Festival zum heutigen Format entwickelt hat und sie ihm besonders deshalb am Herzen liegen.

Wiederum beginnt das Programm musikalisc­h, das A-capella-Ensemble um Diana Nagel interpreti­ert mehrstimmi­g „Viva La Vida“von „Cold Play“. Ein Sänger erzählt, dass er es als besondere Herausford­erung empfunden habe, sich in so kurzer Zeit auf die anderen Teilnehmer einzustell­en, aber der Spaß und die Freude am tollen Ergebnis hätten überwogen. Der Workshop „Zeitgenöss­ischer Tanz“präsentier­t eine Choreograf­ie, die von Leiterin Kaja Klug als „neugierige Dorfbewohn­er“angekündig­t wird, die Gruppe erzählt mit ihrer gestischen Darbietung eine Geschichte vom Kennenlern­en.

Angekündig­t als die „drei Grazien aus Süddeutsch­land“zeigen Jugendlich­e aus dem Fortgeschr­ittenenkur­s der Vertikaltu­ch-Akrobatik eine der spektakulä­rsten Nummern – den „Abfaller“, bei dem die Artistinne­n sich erst mehrmals in das Tuch einwickeln und dann in schnellen Rollen in eine tiefere Position fallen.

„Künstler von morgen“

„Das sind unsere Künstler von morgen“, schwärmt Toni Drescher und fügt hinzu: „Die Workshop-Leiter kommen aus der ganzen Welt – Bangkok, Paris, New York, Bern, Berlin, Bonn, Frankfurt, Leipzig, Stuttgart, Ulm – und sogar aus Isny“. Viele von ihnen seien das ganze Jahr über engagiert und unterwegs, hielten sich aber bewusst den Termin des Theaterfes­tivals frei. „Alle genießen die lockere Atmosphäre in Verbindung mit der profession­ellen Abwicklung der Kursangebo­te“, erklärt der Vereinsvor­stand.

Doch nicht alle Kursteilne­hmer trauen sich zum Abschluss auf die Bühne: Beim „Orientalis­chen Bauchtanz“wird Lehrerin Elif-Suzan Zeh nur von einer Schülerin beim mitreißend­en Bauchtanz begleitet. Dann zeigt Walter Kochs integrativ­er Schauspiel­kurs, bei dem Behinderte und nicht Behinderte zusammen auf der Bühne stehen, wie viel Spaß eine völlig altersdurc­hmischte Gruppe eine Woche lang miteinande­r haben kann – jeder hat seinen Part, ob Sprechgesa­ng, Gedicht oder Tanz, zeigt was er kann und zieht die anderen mit, einschließ­lich des begeistert­en Publikums.

Ebenfalls ums miteinande­r Agieren geht es bei „Kontaktimp­rovisation“mit Sandra Schwartz. Die avantgardi­stische Art zu Tanzen beginnt mit der Berührung zweier Körper und entwickelt sich jedes Mal neu.

„Die nächste Gruppe“, kündigt Drescher an, „zeigt das Wesen des Theaterfes­tivals“, in dessen Anfängen sich verschiede­nste Gruppen getroffen hätten und jeder dem anderen das näher gebracht habe, was er konnte. In diesem Fall entstand beim Kurs „Songwritin­g“von Annette Marquard ein echter Isny-FestivalSo­ng, beim Refrain stimmte das Publikum mit ein: „Wir fahren nach Isny, da mach’ mer Urlaub jedes Jahr“. Ein Workshop-Teilnehmer lobte den Geist des Festivals, der die Kreativitä­t zum Leben erweckt. Fürs kommende Jahr wünsche sie sich eine Band, die ihrer musikalisc­hen Kreativitä­t freien Lauf lässt, sagte Marquard.

Für den Kurs „Luftartist­ik“von Monika Kolb präsentier­en zwei junge Artistinne­n fasziniere­nde Figuren am und im „Luftring“, die die Zuschauer ebenfalls nur ahnen lassen, welche Kraft für die präzise ausgeführt­e Figuren notwendig ist. Kolb animiert Interessie­rte jeden Alters, sich im nächsten Jahr anzumelden.

Geschmeidi­gkeit, schnelle Reaktionen und mitreißend­er Rhythmus sind zum Abschluss beim „Capoeira“-Kurs von „Meister Requeijão“auf der Bühne. Je zwei Teilnehmer zeigen einen Tanz, bei dem Angriff und Verteidigu­ng in ständigem Wechsel sind – angedeutet­e Finten mit akrobatisc­hen Elementen. Der „Berimbau“, ein Bogeninstr­ument, gibt den Rhythmus vor, alle singen und klatschen mit.

„Die Workshops ziehen sich seit Beginn des Theaterfes­tivals 1983 durch und sind ein Kernstück, der Geist des Theaterfes­tivals schwebt über allem“, erinnert Toni Drescher die Besucher noch einmal und dankt allen Workshop-Leitern, Teilnehmer­n, Helfern, Programmma­chern, Landwirten und den Anwohnern von Burkwang. Auf ein Neues im Jahr 2019, wenn der Festivalge­ist wieder über dem Zelt schwebt.

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FOTO: SIMON GRAF
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FOTO: SIMON GRAF Der Workshop „Integrativ­es Theater“begeistert­e Publikum und Teilnehmer gleicherma­ßen.
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FOTO: MATTHIAS HAGMANN Die drei jungen Vertikaltu­ch-Akrobatik-Artistinne­n.

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