Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Die Vorstellungen kollidieren
Das braucht niemand. Am Freitag wollen die Piloten der Billigfluglinie Ryanair streiken. Tausende Passagiere werden später losfliegen, ankommen, umbuchen, am Flughafen campieren. Zurecht sind Verbraucher genervt, wenn die bezahlte Dienstleistung ausfällt oder von schlechter Qualität ist.
Konsumenten sind aber meist auch Arbeitnehmer. Dieser Perspektivwechsel sei ihnen nun empfohlen. Niemand will, dass einen der Arbeitgeber schlecht bezahlt, mit Urlaubstagen geizt, beliebig in eine andere Filiale versetzt, kurz gesagt: Arbeitnehmerrechte verletzt. Darüber jedoch klagen viele Angestellte von Ryanair.
Deren Chef Michael O’Leary gehört zu der Sorte von Firmenlenkern, die die Welt in sozialer Hinsicht zurückdrehen wollen. Amazon, Uber, Airbnb, Foodora und wie sie alle heißen schließen am liebsten nur individuelle Arbeitsverträge mit dem Piloten, Paketzusteller, Taxifahrer, Vermieter oder Essenslieferanten ab. Von Tarifpartnerschaft und Kollektivvereinbarungen halten sie nichts.
Die Unternehmenskultur neuer Firmen verträgt sich oft nicht mit den Vorstellungen alter Gewerkschaften. Diesen Konzernen muss man erst wieder beibringen, was die Industriestaaten während der vergangenen 150 Jahre gelernt haben. Dazu gehört, dass Gewerkschaften und Tarifverträge eine gute Sache sind – und dass man sich an die Regeln hält. Weil es Stand der Dinge ist und sich die Arbeitnehmer nur dann gegenüber den Unternehmen durchsetzen können, wenn sie sich zusammenschließen.
Nun könnte man sagen: Piloten sind Eliteangestellte mit 130 000 Euro Jahresgehalt. Zieht man Steuern und Sozialbeiträge ab, bleibt vielleicht ein Jahresnetto von 70 000 Euro. 6000 pro Monat auf die Hand ist zwar auch nicht schlecht, aber als Flugpassagier möchte man sicher ankommen. Da ist es gut, wenn der Pilot eine ausgeschlafene, bestens ausgebildete Fachkraft ist und kein gestresster Billiglöhner.
Das eigene Leben sollte die Investition in vernünftige Pilotengehälter wert sein. Auch, wenn die Tickets teurer werden – oder sich der Rückflug wegen des Streiks verspätet.