Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Mordfall Zech: Verminderte Schuldfähigkeit?
Der Hauptangeklagte äußert sich zum ersten Mal selbst vor Gericht – Das Urteil fällt vermutlich heute
LINDAU/KEMPTEN - Er soll gemeinsam mit einem Komplizen einen Mann geschlagen und gewürgt haben, bis er starb. Anschließend soll er das Haus des Mannes angezündet haben, um den Mord zu vertuschen. Am fünften Prozesstag um den Rentnermord in Zech steht die Psyche und die Schuldfähigkeit des 37jährigen Hauptangeklagten im Mittelpunkt. Sein jüngerer Mitangeklagter scheint indessen glimpflich davon zu kommen.
„Ich gehe von einer kombinierten Persönlichkeitsstörung aus“, sagte ein psychiatrischer Gutachter am Dienstag vor Gericht. Der 37-jährige rumänische Hauptangeklagte sei emotional instabil und dissozial. Er handele impulsiv und aggressiv, er könne sich nicht an Normen halten und sei schnell frustriert. „Seine Eltern haben sich nicht für ihn interessiert“, sagte der Psychiater. Der Angeklagte sei als Kind in Rumänien geschlagen worden, habe die Schule abgebrochen. Mit 16 Jahren sei er das erste Mal im Gefängnis gewesen. „Seitdem hat er mehr Zeit im Gefängnis verbracht, als außerhalb.“Auch als der Angeklagte im September 2015 nach Deutschland kam, um sich einer rumänischen Bettlerbande anzuschließen, saß er nach kurzer Zeit erneut in Haft. Gründe für seine Inhaftierungen waren neben Diebstählen auch Vergewaltigung und versuchte Vergewaltigung.
Der Hauptangeklagte äußerte sich am Dienstag erstmals selbst vor Gericht, als Richter Gunther Schatz nach seinen persönlichen Verhältnissen fragte. Er bestätigte, dass er eine schwierige Kindheit gehabt habe. „Mein Vater war Alkoholiker und hat mich geschlagen, wenn er betrunken war“, sagte er. Nein, er habe keinen Schulabschluss.
Er habe sich von seiner Schwester aushalten lassen oder Geld erbettelt.
„Mein Vater war Alkoholiker und hat mich geschlagen, wenn er betrunken war.“Der Angeklagte über seine schwierige Kindheit
Angeklagter könnte betrunken gewesen sein
Schon rumänische Ärzte hätten dem Hauptangeklagten eine Persönlichkeitsstörung bescheinigt, berichtete der psychiatrische Gutachter. Damit sei auch davon auszugehen, dass der Angeklagte während der mutmaßlich von ihm begangenen Tat im März vergangenen Jahres davon beeinflusst gewesen sei. „Menschen mit Persönlichkeitsstörungen neigen unter Angst zu impulsiven Handlungen“, sagt er. Mit einem bislang unbekannten Mittäter soll der Hauptangeklagte damals in das ehemalige Bahnwärterhäuschen in Zech eingebrochen sein. Als beide von einem 76jährigen Hausbewohner bei dem Einbruch plötzlich überrascht wurden, sollen sie den Angeklagten getötet und das Haus anschließend in Brand gesetzt haben.
Der Psychiater sagte auch, dass es möglich sei, dass der 37-Jährige zum Tatzeitpunkt betrunken war, da er immer wieder exzessiv trinke. Jedoch reiche die Persönlichkeitsstörung und die womögliche Trunkenheit nicht aus, um seine Schuldfähigkeit ganz aufzuheben. „Er war in der Lage, das Unrecht seiner Tat einzusehen.“ Eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit und damit der Schuldfähigkeit sei jedoch nicht auszuschließen. Das Schwurgericht um Richter Gunther Schatz beschloss deshalb, dass bei der Urteilsfindung auch eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in Betracht kommen müsse.
Angeklagter bricht im Gerichtssaal in Tränen aus
Der Hauptangeklagte wurde emotional, als bei der Verhandlung ein Brief verlesen wurde, den er im August an seine Schwester aus der Haft geschickt hatte. Darin beteuert er, dass er unschuldig sei, sich unrecht behandelt fühle, aber jetzt wahrscheinlich bis an sein Lebensende im Gefängnis sitzen müsse. „Ich werde mich aufhängen, denn ich komm nicht mehr frei“, schreibt er in dem Brief. Bei der Verlesung brach der Angeklagte im Gerichtssaal in Tränen aus.
Die Verteidigerinnen des Hauptangeklagten versuchten das Blatt noch zu wenden. Sie legten zwei Anträge vor. Zum einen wollten sie, dass ein Polizeibeamter doch noch als Zeuge aussagt, der von der Zeugenliste wieder gestrichen wurde; zum anderen dass die Glaubwürdigkeit der Aussage eines Zeugen, der ein Mithäftling ihres Mandanten war, von einem Sachverständigen überprüft wird. Beides lehnte das Gericht ab. Die Aussage des Polizeibeamten würde keine neuen Erkenntnisse bringen. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen könne die Kammer selbst bewerten.
Tatsächlich brachte auch die weitere Befragung einiger Polizei-Ermittler am Dienstag keine neuen Erkenntnisse in dem Mordfall. Der 27jährige Mitangeklagte, der noch in der letzten Verhandlung von einer Zeugin als Kopf und Drahtzieher der rumänischen Bettlerbande beschrieben wurde, spielte während der Sitzung am Dienstag keine große Rolle mehr. Nur ein Gesprächsprotokoll
„Ich werde mich aufhängen, denn ich komm nicht mehr frei.“schreibt der Angeklagte in einem Brief an seine Schwester
eines Telefonats zwischen zwei Angehörigen des 27-jährigen verlasen die Richter. Darin betonen die Gesprächspartner immer wieder, dass der 27-Jährige nicht am Mord beteiligt war, sondern nur der Fahrer gewesen sei.
Das Gericht verzichtete am Dienstag sogar darauf, den 27Jährigem zu seinen persönlichen Verhältnissen zu befragen. Auch sein Vorstrafenregister wurde nicht verlesen – wohl ein Zeichen dafür, dass sein Urteil glimpflich ausfallen könnte. Der 27jährige bekreuzigte sich, als er das realisierte.
Die Verhandlung um dem Mordfall in Zech geht am Donnerstag, 9. August, ab 9 Uhr vor dem Landgericht in Kempten weiter. An diesem Tag fällt wahrscheinlich auch das Urteil.