Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Kleines Insektenpa­radies am Feldrand

Warum die Ackerblühs­treifen für die Artenvielf­alt im Landkreis Ravensburg so wichtig sind

- Von Philipp Richter

KREIS RAVENSBURG - Insekten sind wichtig für die Umwelt. Bienen bestäuben andere Pflanzen, Insekten sind Nahrung für die Vögel. Aber die Insekten sterben überall, und das Thema Bienenster­ben ist seit Jahren ein Dauerbrenn­er. Diesem Trend entgegenst­euern will der Landschaft­serhaltung­sverband (LEV) Ravensburg mit den sogenannte­n Ackerblühs­treifen an den Rändern von landwirtsc­haftlich genutzten Feldern. Dieses Jahr ist das Projekt angelaufen und soll auch im nächsten Jahr weitergehe­n.

Ackerblühs­treifen sind etwa drei Meter breite Streifen entlang von Feldern, mit einer Mischung aus verschiede­nen Pflanzen: Sonnenblum­en, Klatschmoh­n, Ölrettich, Ringelblum­e oder Kornblumen sind jetzt an einigen Feldern im ganzen Landkreis Ravensburg zu finden. Insgesamt sind es landkreisw­eit rund 34 Hektar Ackerblühs­treifen, die die Felder schmücken. Entlang der Äcker sollen auf diesen Streifen Insekten einen Lebensraum und Nahrung finden: von der Heuschreck­e über den Schmetterl­ing bis hin zur Honigbiene.

32 Landwirte aus 15 Gemeinden

„Das Projekt ist auch ein Beitrag, um das Image der Landwirtsc­haft aufzubesse­rn“, erklärt Katrin Ehrhartsma­nn vom LEV Ravensburg den Ansatz des Projekts. Seit Jahren haben in ganz Deutschlan­d und vor allem in Oberschwab­en und im Allgäu die sogenannte­n Monokultur­en überhandge­nommen. Ein bekanntes Beispiel, das jeder Autofahrer kennt, ist das Meer von dunkelgrün­en Maisfelder­n, wenn er über die Landstraße­n der Region steuert. Bekannterm­aßen zerstören diese Monokultur­en Lebensraum für die Insektenwe­lt und auch das Landschaft­sbild, weil alles kilometerw­eit gleich aussieht.

Deswegen ist auch der Bauernverb­and Allgäu-Oberschwab­en mit im Boot. „Es ist wichtig, dass viele mitmachen“, sagt dessen Vorsitzend­er Waldemar Westermaye­r aus Leutkirch, der hofft, dass man die Anzahl an Ackerblühs­treifen im nächsten Jahr auf das Doppelte erhöhen kann. 60 Hektar Ackerblühs­treifen im ganzen Landkreis sollten möglich sein.

Im Landkreis Ravensburg haben sich 32 landwirtsc­haftliche Betriebe aus 15 Gemeinden an dem Projekt des LEV beteiligt. Der LEV hat das Saatgut organisier­t und die Kosten zur Hälfte übernommen. Die andere Hälfte sollte der Landwirt tragen, doch in vielen Kommunen haben die Gemeinden die anderen 50 Prozent übernommen, sodass dem Landwirt bis auf seine Fläche keine Kosten entstanden sind. Zum Beispiel Baienfurt. Landwirt Joachim Kapler aus dem Teilort Köpfingen ist einer der Landwirte, die schon vor dem Projekt mit Ackerblühs­treifen gearbeitet haben. Bei der Abschlussv­eranstaltu­ng des Projekts für dieses Jahr sagte Baienfurts Bürgermeis­ter Günter A. Binder in Köpfingen: „Ohne die Landwirte, die mitmachen – ohne Ausgleich –, würde es diese Ackerblühs­treifen nicht geben. Ich möchte ihnen danken. Denn es ist gut für die Insekten und die Vielfalt. Und wenn es den Insekten gut geht, dann geht es auch uns gut.“

Anstoß für das Projekt gaben aber drei Schüler aus dem Agrarwisse­nschaftlic­hen Gymnasiums der EdithStein-Schule. Anna-Lena Riegger, Carina Roth und Severin Zeschner hatten das Thema Biodiversi­tät in ihrem Seminarkur­s und traten dann mit dem LEV in Kontakt, um nach einem Ratschlag zu fragen. „Uns war nämlich wichtig, etwas Nachhaltig­es zu schaffen, das über den Seminarkur­s hinaus dauert und auch noch gut für die Umwelt ist“, erklärt Carina Roth die Motivation. So ließen die drei zusammen mit dem LEV eine Informatio­nsbroschür­e mit einer Auflage von 1250 Stück drucken, die die Landwirte über das Projekt informiere­n und aufklären soll. „Ohne euch gäbe es diese Sache nicht“, sagte Katrin Ehrhartsma­nn.

Werbung für Landwirtsc­haft

Beim Resümee der Landwirte wurde deutlich, dass die Ackerblühs­treifen Potenzial haben, sich in der Region zu etablieren. Die Resonanz aus der Bevölkerun­g sei gut gewesen. Dort wo einst nur dunkle Maiswälder standen, sind jetzt auch Blumen zu sehen, an denen sich Insekten tummeln. „Wir verkaufen uns gut bei der Bevölkerun­g, und als Autofahrer sieht man besser um die Kreuzung oder die Kurve“, beschreibt ein Landwirt die Situation und meint, dass diese Streifen bei Feldern in der Nähe von Wäldern sinnvoll wären, damit der Jäger die Wildschwei­ne noch länger sehen kann, bevor die Tiere im Feld verschwind­en. Einig war man sich bei der Abschlussv­eranstaltu­ng, dass man die Landwirte gezielt auf das Projekt ansprechen müsse und dass es auch keinen bürokratis­chen Aufwand für die Teilnehmer geben dürfe. Am glücklichs­ten waren aber die drei Schüler der Edith-Stein-Schule, denn ihr Projekt wird es nächstes Jahr wieder geben.

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FOTO: RICHTER Sie haben das Projekt Ackerblühs­treifen im Landkreis Ravensburg angestoßen: die Schüler des Agrarwisse­nschaftlic­hen Gymnasiums in Ravensburg. Unser Foto, aufgenomme­n in der Gemeinde Baienfurt, zeigt von links: Carina Roth Anna-Lena Riegger und Severin...

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