Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Es ist Zeit für ein radikales Umdenken“
Beim Sommerfest im Sepp-Mahler-Haus gibt es deutliche Worte zur „Zerstörung unserer Erde“
BAD WURZACH - Mit einem Sommerfest hat der Förderkreis das fünfjährige Bestehen des Sepp-MahlerHauses als Kulturdenkmal gefeiert. Gleichzeitig hat die Tochter des Malerpoeten, Adelgund Mahler, die neue Ausstellung mit rund 70 bisher meist nie gezeigten Werken eröffnet. Die Gäste waren aus Biberach, Stuttgart, vom Bodensee und auch aus dem Kreis Ravensburg gekommen.
Höhepunkt war die tief gehende Lesung von Wolfram Frommlet mit Gedichten, Mahnungen, Einsichten von Philosophen sowie Naturschützern aus den vergangenen hundert Jahren, dazu eigenen Erfahrungen und heute noch gültigen Texten von Sepp Mahler.
Das Kulturdenkmal Sepp-Mahler-Haus in der Ravensburger Straße 21 ist ein Kleinod. Gebaut im Jahr 1903 von Sepp Mahlers Vater, dem Torfmeister, vermittelt es heute noch das schlichte, naturverbundene Leben der damaligen Zeit. Es erinnert mit jedem Gegenstand an das Wirken des bescheidenen Dichters und Malers, mit seinem Arbeitsplatz, vielen alten Büchern und zahlreichen Werken aus fast jeder Schaffensphase des lange als „Moormaler“verkannten Künstlers.
Mahlers Blick ist der des Staunenden, eines Menschen, der sich eine kindliche Neugier bewahrt hat, der als Vagabund die Welt entdeckte – vom Mikrokosmos der Pflanzen und Tiere des Moores zum Makrokosmos. Ein Mensch, der Widrigkeiten überstanden hat, in der Nazi-Diktatur verfemt war. Der dennoch immer mit großem Herzen die kleine und große Welt beschrieb, sich früh Sorgen um die Natur machte. Einer, der leise mahnte, ohne verbissenen Aktionismus. Die Anerkennung des Wurzacher Moores als in Mitteleuropa einzigartigem Naturschutzgebietes ist auch seiner Stimme zu verdanken.
Uwe Gorzalka begrüßte im Namen des Förderkreises. Adelgund Mahler hieß ebenfalls willkommen, manche namentlich. Sie freute sich, dass auch Menschen anwesend waren, die ihren Vater noch persönlich erlebt hatten. Die Gäste sprachen dem liebevoll angerichteten vegetarischen Büffet zu, plauderten bei Kaffee und Kuchen oder erfreuten sich an den selbst gemachten Limonaden. Auch diese Kulinarik ein Statement gegen die Umweltzerstörung, gegen Fastfood-Mentalität. Genießen ohne Tierleid.
Weit gereister Weltenkenner
Wolfram Frommlet ist nicht nur Autor, Dozent, Bildungsmensch, Medienredakteur und weit gereister Weltenkenner, sondern auch ausgebildeter Sänger. Eine zu Herzen gehende Lektion über Schöpfung und Bewahrung, mit wohltönender Stimme vorgetragen. Sensibel untermalt von Andieh Merk an Flöte, Saxofon, Percussion und Harmonicum. Frommlet begann mit einem Gedicht des ersten asiatischen Nobelpreisträgers, Rabindranath Tagore, 1913: „Der Erde ist eine Stimme gegeben, lass mein Lied einfach sein...“.
Sepp Mahler sah er als „Träger der Träume“, nicht fremdbestimmt. Heute würden die Menschen um die globale Zukunft betrogen. Wachstum um jeden Preis, blinde Politiker, die Unfähigkeit, einzuhalten. Die Güte der Erde werde ersetzt durch die Gier der Konzerne. Entfesselter Neoliberalismus, Freihandelszonen als neue Form der Sklaverei, Kriege um Bodenschätze, die Ozeane bereits halb leer gefischt. Deutsche Waffenschmieden – auch am Bodensee – seien prächtig im Geschäft mit Diktatoren, mit Freiheitsgegnern.
Sepp Mahler habe dagegen die Liebe, den Schutz aller Schwachen, Wehrlosen und Ungeschützten beschworen. Ein Pazifist, der für offene Grenzen in Europa eingetreten ist.
Die neue Ausstellung „Der Staunende“im Sepp-Mahler-Haus in der Ravensburger Straße 21 ist an jedem Samstag von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Jeden zweiten Samstag im Monat führt Adelgund Mahler persönlich durch das Haus. Ein Visionär, der die Welt mit Kinderaugen sehen konnte. Nachdenklich machende Worte, gleichzeitig ein Blick auf die Apokalypse, auf die die Menschheit zusteuert. Adelgund Mahler zitierte in ihrem Schlusswort Erich Fromm: „Es ist Zeit für ein radikales Umdenken“. Gibt es noch Hoffnung?