Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Olaf Scholz trifft mit seinem Rentenvorstoß einen Nerv
Der SPD-Finanzminister will das Niveau der Altersbezüge bis 2040 fixieren – Das ärgert den Koalitionspartner und freut die Gewerkschaften
BERLIN - Den Sozialverbänden reicht das nicht, CDU und FDP ist es schon zu viel – Finanzminister Olaf Scholz hat mit seinem Rentenvorstoß Aufsehen erregt. Bei 48 Prozent Rentenniveau sollte es bis 2040 bleiben, hat der SPD-Politiker am Wochenende gefordert. Bis jetzt hat die Große Koalition die 48 Prozent nur bis 2025 als Zielmarke.
Die Große Koalition hat die Rentenkommission gerade erst eingesetzt, doch vor der ersten Sitzung kommt der Vorstoß von Scholz. Ein Unding, findet die Union. „Dann braucht man keine Kommission“, schimpft CDU-Fraktionsvize Hermann Gröhe, der selbst der Rentenkommission angehört. Nachdem Scholz seine Forderung nach 48 Prozent mit der Drohung eines SPDRentenwahlkampfs verknüpft hat, warnt Hermann Gröhe: „Wir können nicht nach jeder Wahl das Rentensystem verändern.“
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer rät, man solle erst einmal die Arbeit der Rentenkommission abwarten. Das Thema sei mit vielen Zukunftsängsten verbunden, bei denen, die Renten beziehen und denen, die sie zu bezahlen haben. Auch die CDU werde eine intensive Diskussion führen, verspricht Kramp-Karrenbauer, aber nicht zu Beginn der Arbeit der Rentenkommission. Die soll bis Anfang 2020 ihre Vorschläge machen. Das Vorpreschen des Finanzministers hat für Kramp-Karrenbauer „sehr viel mit Parteitaktik zu tun“. In der Vergangenheit seien gute Erfahrungen damit gemacht worden, dass gerade „diese sensiblen Themen“nicht zu Wahlkampfthemen gemacht wurden. Dass der Koalitionspartner SPD das nun anders sehe, sei ein „Stück weit eine Abkehr“von der eigenen Tradition und „vielleicht auch ein Schlaglicht“auf ihre innerparteiliche Lage. Denn am Wochenende hatte SPD-Chefin Andrea Nahles auch gefordert, die Hartz-IV-Sanktionen für Jugendliche abzuschaffen.
Zufrieden mit Rentengarantie
Zufrieden zeigte sich dagegen DGBVorstandsmitglied Annelie Buntenbach. „Die Rentengarantie ist richtig“, sagt sie, denn die gesetzliche Rente sei die zentrale Säule der Alterssicherung. „Das politische Abenteuer aus dem Jahr 2001, die Alterssicherung teilweise zu privatisieren, ist krachend gescheitert.“Auch Verena Bentele, die neue Präsidentin des VdK, begrüßte Scholz’ Ankündigung, meinte jedoch, langfristig müsse das Rentenniveau bei 50 Prozent gesichert sein.
Die Kritiker werfen Olaf Scholz dagegen vor, nicht zu sagen, was das kostet. Johannes Vogel, der rentenpolitische Sprecher der FDP, beziffert Scholz’ Vorschlag auf 80 Milliarden jedes Jahr. Nach vorläufigen Berechnungen des Prognos-Instituts für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft würden die Steuerzahler im Jahr 2030 beispielsweise mit zusätzlichen 36 Milliarden Euro belastet. Die Kosten steigen laut Prognos, umso mehr „Babyboomer” in Rente gehen, da diese geburtenstarken Jahrgänge relativ wenig Kinder bekommen haben. Im Jahr 2040 wären 75 Milliarden Euro nötig, um das Rentenniveau bei 48 Prozent zu fixieren.
Für den FDP-Politiker Johannes Vogel ist die Union nicht besser als Scholz und die SPD. „Deren aufgescheuchte Reaktionen zeigen ja nur, dass Scholz einen wunden Punkt berührt hat. Wir haben immer gefragt: Wie soll das, was ihr hier vorschlagt, denn dauerhaft finanziert werden?“Für die FDP steht fest: mit flexiblem Renteneintritt und mehr kapitalgedeckter Privatvorsorge.