Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Den Begriff Wespenplage gibt es nicht“
Wie ein Leben in enger Nachbarschaft mit Wespen möglich ist, verrät Imker Hellmut Hirt
RAVENSBURG (jst) - Ein Eis genießen und Obstkuchen mit zuckrig glänzender Glasur essen – das tun viele Menschen im Hochsommer gerne. Aber auch die Lebewesen aus dem Insektenreich mit den schwarzgelben Streifen und der schmalen Taille mögen es bekanntlich süß: Wespen. Dabei nisten sich die Insekten auch gerne mal im Rollladenkasten ein und entwickeln sich bei der vorherrschenden Witterung zur gefährlichen Plage, bis nur noch der Kammerjäger helfen kann.
Hellmut Hirt aus Bettelhofen ist da allerdings anderer Meinung. Der Imker, der bis vor etwa zwei Jahren mehr als 15 Jahre lang Fachberater für Wespen- und Hornissenfragen beim Landratsamt Ravensburg war, hält ein Leben in Eintracht mit den kleinen Tierchen für möglich. „Den Begriff Wespenplage gibt es nicht“, sagt Hirt. Zumal nur zwei der rund 30 Wespenarten dem Menschen lästig würden. Das seien vor allem die Deutsche und die Gemeine Wespe. „Weil sie Süßes mögen. Egal, ob es der faulende Apfel oder der Zwetschgenkuchen ist“, sagt der Imker. Außerdem leisten Wespen einen wichtigen Beitrag im Ökosystem. Bei den aktuellen Wetterbedingungen würde die Schnaken- und Stechmückenpopulation ohne Wespen überhandnehmen. „Bei dem Wetter brauchen wir deren Feinde, um sie zu reduzieren“, erklärt Hirt. Dabei fressen Wespen nicht nur lästiges Ungeziefer, sondern auch mit Vorliebe Honig. „Imker müssen das Flugloch eines Bienenstocks stark verengen, damit die Bienen es verteidigen können.“Andernfalls könnte es vorkommen, dass Wespen den gesamten Honig eines Bienenstocks stehlen und das ganze Bienenvolk zusammenbreche.
Dass ein Leben in enger Nachbarschaft mit Wespen möglich ist, weiß der Experte aus eigener Erfahrung: „Bei mir über der Garage ist ein großes Nest. Ich mache die Garage täglich mehrmals vorsichtig auf und keine Wespe ist mir je lästig geworden.“Darüber hinaus seien auch alle Wespenarten, die in Büschen und Sträuchern ihre Nester aufbauen, ungefährlich. Zumindest sofern man ihre Flugbahn nicht störe.
Von einer Umsiedlung oder dem Entfernen durch den Kammerjäger rät Hirt ab. Eine Umsiedlung auf eigene Faust ist nicht nur verboten, sondern sei sehr gefährlich. Beim letzten Mal habe er sich hierbei rund 30 Stiche eingehandelt, und der Kammerjäger sprühe das Nest beim Entfernen mit Gift ein. „Das Gift bleibt dann jahrelang im Rollladenkasten“, bemängelt Hirt. Er empfiehlt, ein Leinentuch um das Nest zu hängen, dadurch könne man die Flugrichtung der Wespen lenken und verhindere, dass sie sich ins Gebälk arbeiten.