Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Abrissroboter beißen sich durch Wände und Decken
Beim Rückbau des ehemaligen Schwesternwohnheims am EK kommt eine neuartige Methode zum Einsatz
RAVENSBURG - Auf dem ehemaligen Schwesternwohnheim des St. Elisabethen-Krankenhauses beißen sich zwei Abbruchroboter durch Wände und Decken. Mit diesen ferngesteuerten Baumaschinen bereitet sich eine auf Rückbau spezialisierte Firma in Ravensburg auf die Zukunft in der Branche vor.
Normal wird ein Haus von außen abgerissen – dabei reißen Baggerscheren große Brocken des Gemäuers zu Boden. „Wir versuchen es jetzt zum ersten Mal anders“, sagt der Leiter des Geschäftsfeldes Rückbau und Entkernung bei der Firma Lämmle aus Eberhardzell im Kreis Biberach, Thomas Krug. Der Hintergrund für den Versuch: Wenn Hochhäuser in immer enger bebauten Innenstädten abgerissen werden müssen, fehle dafür der Platz. „Wir müssen neue Wege gehen“, sagt Krug. Denn die Firma Lämmle werde nicht nur mit Abrissarbeiten in Oberschwaben betraut, wo es relativ wenige Hochhäuser gibt, sondern auch in Stuttgart, Frankfurt, Köln oder Leverkusen.
Auch andere Abbruchunternehmen verwenden bereits solche Maschinen für Abrissarbeiten. In Düsseldorf wurde 2017 ebenfalls vier Schwesternwohnheime mit Robotern von oben her zurückgebaut, die sich in unmittelbarer Nähe eines Krankenhauses und einer Kindertagesstätte befanden.
Die Roboter werden mit einem Kran aufs Dach des Gebäudes gesetzt, zerteilen mit ihren kräftigen Scheren Wände und Decken. Der Schutt wird am Schwesternwohnheim in den leeren Aufzugschacht geworfen.
Die Bauarbeiter, die mit den Robotern auf dem Gebäude arbeiten, haben derzeit wohl den Arbeitsplatz mit dem besten Ausblick in Ravensburg. Sie haben jeweils ein Steuerungsgerät mit Joystick um die Hüfte geschnallt und lenken die Maschinen, die wie orangefarbene Dinosaurier aussehen, mit wenigen Fingerbewegungen. Die Scheren beißen zu, wie kräftige Kiefer. Es kracht. Beton fällt dem vierbeinigen Gerät vor die Füße. Die einst einbetonierten Stahlgitter ragen verbogen aus der ehemaligen Zimmerdecke hervor. Und schon nagt die Maschine weiter. Wie ein Nimmersatt.
Ein Roboter wiegt rund 2,5 Tonnen. „Es gibt noch größere“, sagt Krug. Man müsse aber auch daran denken, dass die Zwischendecken im Gebäude die Maschinen tragen müssen. Ist ein Stockwerk abgerissen, bauen die Arbeiter mit Bauschutt eine Rampe ins darunterliegende Stockwerk und fahren die Maschinen eine Etage tiefer. Die Roboter werden mit Starkstrom betrieben, sie erzeugen somit keine Abgase und machen weniger Lärm als eine motorbetriebene Baumaschine. Bisher wurden sie von der Firma Lämmle lediglich zur Entkernung von Gebäuden verwendet.
Die Roboter haben schon zwei Stockwerke und damit sieben Meter des Gebäudes abgerissen. Ein weiteres Stockwerk soll folgen. Dann ist genug Erfahrung für den Versuch gesammelt, so Krug, und der übrige Abriss werde vom Boden her wie üblich mit einem Bagger bewerkstelligt.
Das Gebäude hatte elf Etagen und war 36 Meter hoch. Rund 9000 Tonnen Beton und Ziegel fallen voraussichtlich beim Abriss an. Krug ist froh, dass sich Oberschwabenklinik und Landkreis auf den Versuch mit den Robotern eingelassen haben.
Der Rückbau mache bisher weniger Lärm, als man an der Klinik erwartet habe, sagt Vera Sproll von der Pressestelle der Oberschwabenklinik. Dennoch höre man in Patientenzimmern, dass ein Gebäude abgerissen wird. Beschwerden von Patienten oder Beeinträchtigungen der Ärzte gebe es bisher aber nicht. „Aber das kann sich noch ändern, wenn der untere Gebäudeteil abgerissen wird“, sagt Sproll. „Jetzt geht der Schall über uns hinweg.“
Wie die Abrissroboter zubeißen, sehen Sie im Video online unter schwaebische.de/Abrissroboter