Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Im Berliner Schloss
wird das Humboldt Forum eingerichtet - ein Baustellenbesuch
BERLIN - Für die einen ist es ein Stück Disneyland, für die anderen Historie, die wieder lebendig wird: Das Berliner Schloss, das als Humboldt Forum genutzt werden soll, lädt an diesem Wochenende ein letztes Mal zur Baustellenbesichtigung ein – im nächsten Jahr soll es fertig sein. Für Wilhelm von Boddien, Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss e. V. erfüllt sich damit ein Traum.
Mit 19 Jahren, so berichtet Boddien, habe er ein erstes Mal vom Wiederaufbau des Schlosses geträumt. Jetzt, mit 76, ist er nah am Ziel. Boddien war es, der 1993/94 eine Schlosssimulation im originalen Maßstab vor den Palast der Republik setzte, um die Berliner von einem Wiederaufbau des im Krieg beschädigten und später von Walter Ulbricht gesprengten Schlosses zu überzeugen. Mit Erfolg. 2006 begann der Abriss des asbestverseuchten Palastes der Republik, 2013 folgten die ersten Arbeiten zum Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses.
Das Schlossgespenst
Gutgelaunt steht Boddien jetzt im Schlüterhof des neuen Schlosses und schwärmt von der künftigen Nutzung des Humboldtforums als Angebot, fremde Kulturen besser zu verstehen. Und ein bisschen stolz ist er auch. Denn schließlich wurde er Anfang der 1990er-Jahre als „Schlossgespenst“bezeichnet, oder sogar als „Chef der Schlossfälscherbande“. „Sie haben uns mit Ihrer Kritik zu Höchstleistungen angespornt“, dankt er jetzt der Presse. Denn mit langen Diskussionen und enormen Fortschritten der IT sei es gelungen, die alte Architektur wieder herzustellen. Rekonstruiert an Hand von alten Fotografien.
Zum Tag der offenen Baustelle werden am Samstag die Berliner Philharmoniker im barocken Schlüterhof spielen. Dort, wo auch von 1932 bis 1940 Sommerserenaden gespielt wurden. Boddiens Philosophie: Wenn man Musik wiederaufführen kann, warum dann nicht auch Architektur? Schließlich habe man die Schlütersche Partitur in die Kunst zurückgeholt. „Zwölf der besten Bildhauer“, so lobt er, seien KukaRoboter aus Bamberg gewesen, die die rohen Klötze bearbeiteten, bevor Bildhauer die letzten zehn Prozent gestalten und ihnen individuelle Züge verleihen konnten.
Erstaunlich ist, dass das Großprojekt Berliner Schloss im Bau- und im Kostenplan liegt. Angesichts des Berliner Flughafendesasters wird das in der Hauptstadt gerne betont. Laut Hans-Dieter Hegner, Bauvorstand der Stiftung, wird das HumboldtForum im Herbst 2019 etappenweise eröffnet. Wilhelm von Boddien wagt schon eine Datumsangabe. Er könne sich kaum vorstellen, dass der 250. Geburtstag von Alexander von Humboldt am 14. September 2019 im Interconti oder einem anderen Berliner Hotel gefeiert würde.
2004 wurden die ersten Spenden für das neue Stadtschloss gesammelt, jetzt sind es 85 Millionen. 20 Millionen fehlen noch bis zum Ziel. Von Boddien hofft, sie bis Ende 2019, spätestens aber Anfang 2020 zusammenzuhaben.
In dieser Woche werden die Schwerlastgerüste abgebaut, die letzten Putzarbeiten beginnen. Was hier entstehe, sei eine gute Anmutung von einem Stück Barock, so Hegner – und die größte Barockfassade nördlich der Alpen. 22 000 Sandsteine und 2800 figürliche Darstellungen finden sich hier.
Kontrastreich sind der heiter-anmutige Schlüterhof und der wuchtigernste Beton-Ostflügel des italienischen Architekten Franco Stella. Barock trifft Moderne. Gewinner bei den Besuchern dürfte der Barock werden, denn der moderne Ostflügel erinnert doch an die allgegenwärtige Berliner Großarchitektur.
Wilhelm von Boddien lebt für dieses Schloss, und er erzählt Geschichten über Geschichten. Zum Beispiel, wie die Berliner Rennfahrerin Heidi Hetzer einen Löwen spendete, aber darauf bestand, dass sie eine Löwin haben möchte. So fehlt einem Löwen im Schlüterhof die Mähne – persönlich abgeschlagen von Heidi Hetzer.
Die Südsee ist schon da
100 000 Quadratmeter groß ist das HumboldtForum. Hier werden Ausstellungsstücke des Ethnologischen Museums und des Museums für asiatische Kunst ihre Heimat finden. Südseeboote, Teile der Höhlen der Seidenstraße sind schon eingezogen, gut bewacht in klimatisierten Räumen. Sie sind die Vorboten von insgesamt 20 000 Objekten, die im kommenden Jahr einziehen werden.
„Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung derjenigen Leute, welche die Welt nie angeschaut haben,“hat Alexander von Humboldt einmal gesagt. In diesem Geiste sollen hier Kunst und Kultur, Politik und Wirtschaft vereint werden. Und eine Berlin-Ausstellung soll die Bedeutung der Welt für Berlin und Berlins für die Welt darstellen. „Es liegt an den Menschen, wie es angenommen wird“, so Boddien.