Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Teure Transporte
Speditionen wollen die ausgeweitete Lastwagenmaut direkt an ihre Kunden weitergeben
RAVENSBURG/BERLIN - Viele Autofahrer halten die blauen, vier Meter hohen Säulen an den Bundesstraßen für einen Blitzer. Doch sie haben einen anderen Zweck: Sie überwachen mit Sensoren und Kameras den vorbeifahrenden Verkehr und sollen mautpflichtige Lastwagen von Autos unterscheiden. Technisch sind die Säulen vergleichbar mit den Kontrollbrücken an Autobahnen.
In den vergangenen Wochen sind an vielen Bundesstraßen Säulen neu hinzugekommen, denn seit Juli gilt die Maut für Lastwagen auch auf allen deutschen Bundesstraßen – insgesamt rund 39 000 Kilometer. Bis dahin mussten Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen bereits für Autobahnen und rund 2300 Kilometer Bundesstraße zahlen. Für den Bund bedeutet das – die Erhöhung der Mautgebühren Anfang 2019 eingerechnet – zusätzliche Einnahmen von 2,5 Milliarden Euro im Jahr, sodass Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) künftig mit 7,2 Milliarden Euro planen kann. Für die Speditionen bedeutet die Neuregelung zustätzliche Kosten – die sie an ihre Kunden weitergeben werden.
Das Logistikunternehmen Dachser, mit Sitz in Kempten im Allgäu, immerhin der zweitgrößten Lebensmitteltransproteur in Deutschland, behandelt die Maut wie eine Steuer, „die wir seit dem gesetzlichen Einführungstermin korrekt an unsere Kunden weiterleiten“, sagt Salvatore Di Nolfi, Niederlassungsleiter des Dachser Logistikzentrums Bodensee-Oberschwaben, der „Schwäbischen Zeitung“. Die Weitergabe der Kosten erfolge anhand von Sendungsund Verrechnungsstrukturen. „Dieses Vorgehen hat sich schon bei früheren Mauteinführungen beziehungsweise -anpassungen bewährt und wird inzwischen von allen Partnern in der Wertschöpfungskette akzeptiert“, erklärt Di Nolfi weiter.
Ähnlich verfährt auch das Speditionsund Logistikunternehmen Grieshaber aus Weingarten (Kreis Ravensburg). Auch dort werden die Mehrkosten an Kunden weitergegeben. „Insgesamt haben sich, das ist aber strukturabhängig und standortabhängig, Kostensteigerungen zwischen drei bis fünf Prozent auf die Transportkosten eingespielt“, sagt Arnold Zimmermann, Unternehmenssprecher und Marketing-Leiter bei Grieshaber. Das Problem der Maut sehe er darin, dass Kunden mehr zahlen müssten, ohne mehr Leistung zu bekommen. Hinzu käme, dass Anfang 2019 eine weitere Mautwelle auf die Wirtschaft zukäme. „Während nun das Netz erweitert wurde, werden in 2019 die Mautsätze drastisch erhöht“, sagt Zimmermann. Auch das ohne jegliche Mehrleistung. „Das wird in der Branche zu einigen Verwerfungen führen.“
Der Bund nutzt die Maut dafür, um Straßenschäden zu reparieren, die durch die Nutzung der Lastwagen entsteht. Die Gebühren sollen vorwiegend in den Bau, Erhalt und den Betrieb von Autobahnen und Bundesstraßen fließen. In einer gemeinsamen Erklärung haben die fünf großen Speditionsverbände darauf hingewiesen, dass die Kosten durch die Mautausweitung auf die Bundesstraßen bei etwa zwei Milliarden Euro jährlich liegen. Ihre Forderung ist klar: Der Bund müsse die Zusatzeinnahmen zweckgebunden – das heißt für die Sanierung des Straßennetzes – verwenden.
Gefahr der Verkehrsverlagerung
Eine große Sorge von Gegnern der Maut-Ausweitung war die Gefahr der Verlagerung des Schwerlastverkehrs auf Land- und mautfreie Straßen. Das Bundesverkehrsministerium geht aber nicht davon aus, dass eine „nennenswerte“Verlagerung stattfindet. Die Kostenersparnis bei der Maut würde die zusätzliche Fahrzeit nicht aufwiegen, teilte das Ministerium mit. Für belastbare Aussagen sei es allerdings noch zu früh. Erfahrung aus der Vergangenheit zur Mauteinführung und -erweiterung hätten gezeigt, dass langfristig keine Verkehrsverlagerungen stattgefunden hätten.
Eine ähnliche Ansicht vertritt auch Professor Gernot Liedtke, Abteilungsleiter am Institut für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Zwar sei der Ausweichverkehr nach der Mauteinführung 2005 kurzfristig stark in die Höhe geschnellt, nach einigen Wochen sei er aber wieder deutlich zurückgegangen, so Liedtke. Lediglich an Stellen, an denen gut ausgebaute Bundesstraßen im Vergleich zur Autobahn einen Vorteil bringen, sei der Ausweichverkehr geblieben. Mit einem ähnlichen Verhalten rechnet Liedtke auch bei der Mautausweitung.
Bei Dachser spielt die Maut in der Routenplanung keine Rolle. „Wir planen mit dem kürzesten und effizientesten Weg, um Waren zu transportieren. Das zahlt sich sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer Sicht aus“, sagt Salvatore Di Nolfi. Fahrer des Unternehmens Grieshaber können ihre Fahrtroute grundsätzlich selbst wählen. Lediglich für Schwerlast-, Gefahrguttransporte und Transporte im Pharmabereich gibt es teilweise vorgegebene Routen. Diese müssen eingehalten werden, egal ob sie über mautpflichtige Straßen mit blauen Kontrollsäulen oder -brücken führen.