Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Trump irritiert mit Nordkorea-Politik
WASHINGTON (her) - Die USA tun sich mit ihrer Nordkorea-Linie schwer: US-Präsident Donald Trump hat seinen Verteidigungsminister zurückgepfiffen und klargestellt, dass er die Manöver mit Südkorea abschaffen möchte. Allerdings, twitterte Trump, könnten sie auch jederzeit wieder begonnen werden. Das Hin und Her der USA kommt in einer Zeit wachsender Zweifel, ob Nordkorea die atomare Abrüstung tatsächlich in Angriff nehmen will.
US-Verteidigungsminister James Mattis hat eine kurze Tauwetterphase für beendet erklärt. Zumindest für unterbrochen. Er verkündete, dass die US-Streitkräfte ihre ausgesetzten Militärmanöver mit Südkorea wieder aufnehmen könnten. Die Pause sei Ausdruck guten Willens gegenüber Nordkorea gewesen. Man habe allerdings nicht die Absicht, weitere Übungen abzusagen. Um welche Größenordnung es sich dabei handelt, zeigt ein Blick in die jüngste Vergangenheit: An den Manövern „Foal Eagle“und „Key Resolve“nahmen im April neben rund 300 000 südkoreanischen auch etwa 23 000 amerikanische Soldaten teil.
Als Donald Trump die Manöver im Juni bis auf Weiteres beendete, wollte er seinen vermeintlichen Coup von Singapur feiern. Im Überschwang der Gipfelpremiere mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un sprach er von „sehr provokanten“Kriegsspielen, deren Stopp er nunmehr verfüge. Die von Nordkorea ausgehende nukleare Gefahr sei damit gebannt. Der Rest, gab Trump zu verstehen, sei bloß eine Frage des Kleingedruckten.
So euphorisch klingt der US-Präsident längst nicht mehr. Es gebe momentan zwar keinen Grund, hohe Geldbeträge für die Übungen mit Südkorea auszugeben, pfiff er Mattis bei Twitter zurück. Aber er schob hinterher: Diese Übungen könne er jederzeit von Neuem beginnen lassen – und wenn er es tue, würden sie größer sein als je zuvor. Die Entscheidung hängt also davon ab, wie sich die Nordkoreaner verhalten.
Kim hat sich zu nichts verpflichtet
Mittlerweile müssen sich auch Trumps Außenpolitiker eingestehen, dass Kim sich in Singapur konkret zu gar nichts verpflichtet hat. Er erneuerte vage Absichten, ohne sie durch einen Abrüstungszeitplan zu untermauern. Belohnt wurde Kim mit Vertrauensvorschüssen, die zumindest verfrüht waren angesichts der Versprechen, die die Kim-Dynastie im Laufe ebenso langwieriger wie erfolgloser Atomverhandlungen bereits gebrochen hat. Zwar kooperierte Pjöngjang mit Washington, um die sterblichen Überreste gefallener US-Soldaten des Koreakrieges zu überführen. In der zentralen Frage aber bewegte sich nichts. Keinen einzigen seiner Atomsprengköpfe hat Nordkorea bisher verschrottet. Nach Schätzungen amerikanischer Experten sollen es etwa 60 Stück sein.
Dass sich daran vorläufig nichts ändern wird, hat Kim Yong-chol, die Nummer zwei des Regimes, in einer Botschaft an US-Außenminister Mike Pompeo deutlich gemacht.
Das Schreiben sei laut „Washington Post“derart konfrontativ gewesen, dass Trump und Pompeo eine unmittelbar bevorstehende Reise des Chefdiplomaten nach Pjöngjang absagten. Während der Präsident die Schuld in einer härteren Haltung Chinas angesichts des Handelspokers mit Washington sieht, spricht seine UN-Botschafterin Nikki Haley von einem Sinneswandel der Nordkoreaner: „Haben sie sich das mit der Denuklearisierung anders überlegt? Es kann sein.“
Ist der Dialog damit entgleist? Darauf gibt es derzeit keine Antwort. Klar ist: Trump landet nach dem Gipfel in Singapur auf dem harten Boden der Realität. Die Prioritäten beider Seiten sind grundverschieden.
Kim drängt auf einen Friedensvertrag. Bevor er konkret abrüstet, verlangt er Garantien, nach denen ein entsprechendes Abkommen den 1953 geschlossenen Waffenstillstand ersetzt. In seinen Augen, vermuten Asien-Experten in Washington, ist es nichts anderes als die Garantie, dass es die USA – anders als einst im Irak oder in Libyen – nicht auf einen Regimewechsel abgesehen haben. Die Amerikaner sehen es andersherum. Ein Friedensvertrag müsste vom Senat mit Zweidrittelmehrheit bestätigt werden, was kaum zu erwarten ist, solange es abrüstungstechnisch nicht vorangeht. So wird es vorerst nichts mit Trumps selbst beschworenem Geniestreich.