Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Jakobsweg statt Gipfeltour
Es sind nicht allein die Berge und Landwirtschaft, die Urlauber ins Oberallgäu locken
OBERALLGÄU - Für hohe Gipfel und Urlaub auf dem Bauernhof ist das Allgäu bekannt. Doch nicht nur das macht die Region für Touristen attraktiv. Im nördlichen Oberallgäu treffen gleich zwei Jakobswege aufeinander; der Schwäbische und der Münchner. Rucksack packen, Wanderschuhe anziehen, Alltag hinter sich lassen – und los: Für viele Menschen ist Pilgern entspannender als Urlaub am Meer.
Im Sommer ist in Gemeinden wie Wiggensbach, Waltenhofen, Buchenberg und Sulzberg Hochsaison. Es kommen vor allem ältere Besucher, Paare und Familien in die Region, sagt Christine Taube, die bei der Gästeinformation Sulzberg arbeitet. Es sei die Mischung aus Bergen und Seen, die locke. Familien verbringen ihre Ferien gerne auf dem Bauernhof. Urlauber wählen laut Taube für längere Aufenthalte eher private Ferienwohnungen als Hotels oder Pensionen.
Die Aktivitäten im Voralpenland sind Taube zufolge vielfältig: Viele Touristen besichtigen Burgruinen, gehen Golfspielen oder lauschen Alphornbläsern. „Unsere Gäste wollen nicht unbedingt schwere Klettersteige erklimmen“, sagt Taube. Es gebe Themen- und Wanderwege, die auch kinderfreundlich seien. Wer noch mehr erleben möchte, ist in nur 45 Autominuten bei den Königsschlössern oder in Lindau am Bodensee. Doch vielen geht es nicht darum, möglichst schnell an einen anderen Ort zu kommen: Für sie ist der Weg das Ziel. Jakobs-Pilger gehen alles zu Fuß, schauen Kapellen und Kirchen an und suchen sich täglich einen anderen, günstigen Schlafplatz.
Ruth Walker vom Wiggensbacher Informationszentrum hilft den Pilgern bei der Suche. Doch manchmal gehen die Betten aus. „Ich empfehle, das Zimmer für die Nacht schon in der Früh zu buchen.“Die Regionalentwicklung Oberallgäu biete praktische Flyer mit Wegbeschreibungen und Adressen von Unterkünften an (siehe Textende). Trotzdem habe es auch schon Wanderer gegeben, die spontan kein Zimmer mehr bekommen haben und dann unter einem Baum oder bei Privatpersonen geschlafen haben. „Das sind aber Ausnahmefälle“, versichert Walker.
Siegfried Bösele ist ausgebildeter Wanderführer und Mesner der Kirche in Altusried. Als er vor 20 Jahren den Jakobsweg in Spanien gegangen ist, habe er sich schwergetan, einen Reiseführer zu finden. Mittlerweile seien die Regale in Buchhandlungen mit Lektüre zu diesem Thema mehrere Meter lang, sagt Bösele. Außerdem findet man für die gesamte Strecke bis zum spanischen Ziel Santiago de Compostela detaillierte Auskünfte und Karten im Internet. Der 77Jährige betreut immer wieder Pilger, die durch das Allgäu kommen und wandert manchmal auch kleinere Etappen mit ihnen. Ihm zufolge laufen viele Rentner den Pilgerweg durch das Oberallgäu.
Es geht um den inneren Weg
Ermengerst liegt auf der Tagesetappe von Kempten nach Weitnau. Wenn man an der alten Bahnhofsstation vorbei in den Ort läuft, sieht man eine kleine, weiße Kirche. Dort stempeln die Wanderer ihren Pilgerpass.
Bösele ist froh, dass der Jakobsweg immer noch spirituelle Bedeutung hat. Ihm ist es wichtig, unterwegs religiöse Impulse zu geben. Denn obwohl das Pilgern laut Bösele zur Mode geworden ist, geht es nicht nur um zurückgelegte Kilometer, sondern auch um den „inneren Weg“.