Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Schneller, höher, weiter, besser – und stärker
Um die eigene Leistungsfähigkeit zu optimieren, greifen immer mehr Freizeitsportler zu illegalen Mitteln – Ein Kemptener muss sich dafür vor Gericht verantworten
KEMPTEN - „Sport stand bei mir fast zwei Jahrzehnte an erster Stelle. Ich war verbissen“, sagte der Angeklagte vor dem Kemptener Amtsgericht resigniert. Lange Zeit habe er Basketball gespielt, seit acht Jahren gehe er regelmäßig ins Fitnessstudio. In seiner Wohnung haben Beamte Mittel zum gesteigerten Muskel- und Kraftaufbau gefunden – und zwar insgesamt 46-mal mehr, als im Sinne der Dopingmittelverordnung erlaubt gewesen wäre. Leistungssteigernde Substanzen sind im Freizeitsport längst keine Seltenheit mehr, sagt Sportwissenschaftler Dr. Tobias Giegerich. Die Grenzen dessen, was legal ist und was nicht, seien oft fließend. Den Angeklagten kommt sein Vergehen teuer zu stehen: 8100 Euro muss der Hobby-Sportler bezahlen.
Schneller, höher, weiter – gewinnen um jeden Preis. Da versucht es der ein oder andere Top-Athlet schon einmal mit unlauteren Mitteln. Doch Doping ist auch im Breitensport ein Problem, das immer weiter um sich greift, sagt der Memminger Sportwissenschaftler Dr. Tobias Giegerich, der auch Oberallgäuer betreut. Gerade im Fitnessbereich komme das häufig vor. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts belegt ebenfalls: Über 20 Prozent der Männer, die regelmäßig ins Fitnessstudio gehen, nehmen leistungsbeeinflussende Mittel. Nur warum? „Manche wollen ihre selbst gesteckten Ziele schneller erreichen. Anderen geht es um die Optik, der Körper soll möglichst muskulös und definiert sein“, sagt Giegerich. Zudem sei es nicht schwer, an die Substanzen zu kommen. Oft würden sie in Fitnessstudios von Privatpersonen vertrieben, auch im Internet gebe es viele Angebote.
Und was spricht dagegen, wenn ein Freizeitsportler für das eigene Vergnügen oder Aussehen etwas nachhilft? „Das Anti-Doping-Gesetz gilt für alle“, sagt Giegerich. Die Welt-Anti-Doping-Agentur unterscheidet zwischen Substanzen, die immer verboten sind, Substanzen, die im Wettkampf nicht erlaubt sind, und Substanzen, die nur in bestimmten Sportarten als Dopingmittel zählen. Letzteres gilt zum Beispiel für einige Beruhigungsmittel im Schießsport.
Was Doping ist und was nicht, sei vor allem im Breitensport schwer definierbar, sagt Giegerich. Häufig würden legale, aber verschreibungspflichtige Medikamente zweckentfremdet. Eindeutiger werde es bei Mitteln, die generell verboten sind, zum Beispiel bei Anabolika. Diese sollen das Muskelwachstum fördern – und sind gefährlich, mahnt er. Sie führten beispielsweise oft zu HerzKreislauf-Erkrankungen. Bei Männern könne Impotenz und verkleinerte Hoden, bei Frauen starke Körperbehaarung die Folgen sein.
Solche Anabolika wurden auch bei dem 30-jährigen Angeklagten gefunden. Er musste sich wegen unerlaubten Besitzes von „Dopingmitteln in nicht geringer Menge zum Zwecke des Dopings beim Menschen im Sport“verantworten. Wegen eines ähnlichen Vergehens wurde er vor mehreren Jahren zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. „Ich war dumm und zu ehrgeizig“, sagte er jetzt vor Gericht und betonte: „Ich habe mich verändert. Mein Vater ist krank geworden, ich helfe viel zu Hause, Sport hat für mich nicht mehr oberste Priorität.“Staatsanwaltschaft und Richter rechneten ihm sein Geständnis und seine Reue positiv an, zumal er die Mittel offenbar nur selbst genommen und nicht weiterverkauft habe: Eine „saftige Geldstrafe“in Höhe von 8100 Euro solle ihm eine Lehre sein.
„Ihren Körper in Form zu bringen, war den Menschen schon immer ein Anliegen“, sagt Harald Regending, Inhaber des „Fitness-Store“in Kempten, in dem es etwa Sportartikel und Nahrungsergänzungsmittel zu kaufen gibt. Wer schnell viel Erfolg wolle, erliege oft der Versuchung, mit illegalen Mitteln nachzuhelfen. „Das kann man sich ähnlich wie beim Drogenhandel vorstellen“, erklärt er. Es gehe aber auch auf legalem Weg. Eiweißpulver etwa unterstütze das Muskelwachstum, Creatin sorge für mehr Kraft, auch Omega-3 und Zink seien hilfreich. „Dabei ist es wie mit allem: Man sollte es nicht übertreiben.“Das A und O seien eine bewusste Ernährung und Training. Denn geschenkt gebe es nichts.