Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
EHG prüft Mehrheitsverkauf
Wohnmobilbauer könnte mehr als 50 Prozent abgeben
BAD WALDSEE (ben/ank) - Die Eigentümer von Europas größtem Hersteller von Wohnwagen und Wohnmobilen Erwin Hymer sind nun doch bereit, eine Mehrheit an dem Unternehmen mit Sitz in Bad Waldsee abzugeben. Ursprünglich wollten Gerda Hymer, die Frau des verstorbenen Gründers, und ihre beiden Kinder Carolin und Christian mindestens 50 Prozent und eine Aktie behalten. „Das hat sich im Lauf der Gespräche mit den einzelnen Investoren geändert“, sagte Martin Brandt, der Vorstandschef der Erwin-Hymer-Gruppe der „Schwäbischen Zeitung“. Die Verhandlungen hätten gezeigt, dass bei den Investoren „Interesse an einem Mehrheitsanteil besteht“.
Die Verkaufspläne hatte Brandt im Frühjahr offenbart und als Grund die Wachstumspläne in China und in Amerika angeführt. Infrage komme ein Verkauf an strategische Investoren, ein Verkauf an Finanzinvestoren oder ein Börsengang.
BAD WALDSEE - Sinneswandel bei Europas größtem Wohnmobil- und Caravanhersteller: Die Eigentümer der Erwin-Hymer-Gruppe (EHG), die Witwe von Gründer Erwin Hymer, Gerda Hymer, und ihre Kinder Carolin und Christian, sind nun doch bereit, die Mehrheit an dem Familienunternehmen aus Bad Waldsee (Kreis Ravensburg) zu verkaufen. Das bestätigte EHG-Chef Martin Brandt der „Schwäbischen Zeitung“am Montag.
Ursprünglich wollte die Familie, die 100 Prozent der Firmenanteile kontrolliert, nur einen Minderheitsanteil veräußern. Doch das habe sich im Prozessverlauf geändert, sagte Brandt. Die bisherigen Gespräche hätten gezeigt, dass bei den Investoren „Interesse an einem Mehrheitsanteil an der Gruppe besteht“. Ob die Abgabe eines Mehrheitsanteils auch den Komplettverkauf der EHG an einen oder mehrere Interessenten und damit den Ausstieg der Eigentümerfamilie aus dem Unternehmen bedeuten könne, ließ Brandt offen.
Die Verkaufspläne hatte der EHGChef im Frühjahr offenbart und als Grund die Wachstumsambitionen des Konzerns in China und in Amerika angeführt. Dafür, so erklärte Brandt im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“im März, müsse die EHG ihre Eigenkapitalbasis stärken. Neben einem Anteilsverkauf an strategische oder an Finanzinvestoren war von Anbeginn an auch ein Börsengang eine Option.
Daran, sagte Brandt jetzt, habe sich nichts geändert. Nach wie vor sprechen Management und Eigentümerfamilie mit potenziellen Investoren. Medienberichten zufolge sind die Finanzinvestoren Centerbridge und KPS sowie der US-amerikanische Hersteller von Reisemobilen Thor Industries im Rennen. Letzterer ist auch in Deutschland für seine aus Alu gefertigten AirstreamWohnanhänger bekannt. Thor Industries sieht sich selbst mit rund 230 000 jährlich gefertigten Reisemobilen als weltweit größten Hersteller von Freizeitfahrzeugen.
Parallel dazu wird der Börsengang vorangetrieben. Nach Aussage von Brandt seien inzwischen die Großbanken Citigroup, Goldman Sachs und Deutsche Bank mandatiert, eine Notierung der Aktien an der Börse vorzubereiten. Experten rechnen damit, dass die EHG, zu der neben der Marke Hymer noch 23 weitere Hersteller von Reisemobilen und Zubehör, aber auch Vermieter und Serviceanbieter gehören, bei einem Börsengang mit 2,5 bis drei Milliarden Euro bewertet werden könnte. Im Geschäftsjahr 2017/18 (Ende August) hat die Gruppe weltweit rund 62 000 Fahrzeuge verkauft und rund 2,5 Milliarden Euro umgesetzt, etwa 400 Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor. Den Gewinn bezeichnete Brandt auf der Branchenmesse Caravan-Salon in Düsseldorf als „sehr ordentlich“.
Eine Entscheidung, welche der Optionen – Verkauf an einen strategischen Investor, Verkauf an einen Finanzinvestor oder Börsengang – die EHG wähle, gebe es bislang aber noch nicht. Momentan würden verschiedene Kriterien durchdacht und bewertet. Einen möglichen Börsengang noch in diesem Jahr hält Brandt für eher unwahrscheinlich, da Investoren testierte Zahlen zum aktuellen Geschäftsjahr 2017/18 haben wollten. Diese lägen jedoch frühestens Ende Oktober/Anfang November vor, womit das Zeitfenster für eine Aktienplatzierung noch vor Weihnachten recht kurz sei. Entscheide man sich für einen Börsengang, sei Februar 2019 realistischer, sagte Brandt. Bis dahin könnten parallel Gespräche mit strategischen Investoren oder Finanzinvestoren über einen Anteilsverkauf laufen.
In der Belegschaft der EHG herrscht angesichts der sich hinziehenden Gespräche über die Zukunft des Unternehmens Verunsicherung. „Die Stimmung bei den Mitarbeitern ist nicht gut“, hatte Gesamtbetriebsratschef Janusz Eichendorff Ende Juli gesagt. Angesprochen auf die Möglichkeit, dass nun auch noch die Mehrheit des Unternehmens an potenzielle Investoren verkauft werden könnte, sagte Eichendorff: „Ich habe die Hoffnung, dass die Familie nicht die Mehrheit abgibt. Immerhin können wir auf eine jahrzehntelange gute und konstruktive Zusammenarbeit mit der Familie zurückblicken.“