Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Die Händler müssen sich Amazon und Co. stellen“
Christoph Morlok, Geschäftsführer der Leistungsgemeinschaft Handel und Gewerbe, zur Situation der Wangener Altstadt
WANGEN - Die Wangener Altstadt gilt als Perle in der Region und lockt viele Besucher und Kunden an. Damit steht sie besser da als viele Stadtkerne vergleichbarer Größenordnung – nicht nur in Süddeutschland. Doch es gibt auch Probleme. Beobachter nehmen eine erhöhte Fluktuation unter den Geschäften wahr, um den Altstadtverkehr entbrennen immer wieder Debatten, und auch der zunehmende Einkauf übers Internet ist spürbar. Christoph Morlok, Geschäftsführer der Leistungsgemeinschaft Handel und Gewerbe, nimmt im Gespräch mit Jan Peter Steppat Stellung zu Herausforderungen und Perspektiven des Innenstadthandels.
Herr Morlok, wo steht die Wangener Innenstadt gerade?
Dank der vielen Inhaber geführten Geschäfte sehe ich Wangen als sehr gut aufgestellt. Es gibt zwar Leerstände, aber die füllen sich alsbald immer wieder.
Wo ist denn Wangen aus Ihrer Sicht gut aufgestellt?
Wenn man die Herrenstraße nimmt, dann bietet Wangen den Kunden viel und auch viel Abwechslung. Wir haben nicht die immer gleichen, wiederkehrenden Filialen wie vielfach andernorts, sondern immer noch besondere Angebote. Und: Es gibt ja nicht nur die Herrenstraße. Auch die kleineren Straßen und Gassen bieten den Kunden viel.
Stichwort Leerstände und Fluktuation: Beobachten Sie hier in letzter Zeit eine Zunahme?
Nimmt man die Mietpreise in der Herrenstraße, so ist es für viele Händler sicher schwierig, diese zu zahlen. Sie müssen das Geld ja auch wieder erwirtschaften. Oft können das nur die großen Ketten leisten. Andererseits sind Ketten auch wichtig für die Anziehungskraft einer Innenstadt. Man hat das in Ravensburg gesehen, als H&M ins Gänsbühlcenter zog. Da stiegen die Mieten. Allerdings zog H&M auch wieder Menschen an. Ich denke, man braucht beides: die Ketten, aber auch die kleineren, oft Inhaber geführten Geschäfte. Und nimmt man ein aktuelles Beispiel bei uns: Wir haben mit Ritter zwar eine Buchhandlung verloren, mit Osiander dafür ein tolles Geschäft dazu bekommen.
Wäre ein H&M in Wangen denn wünschenswert?
Das Problem stellt sich nicht. Wir können nicht die Fläche bieten, die H&M braucht. Ein Magnet wäre H&M auf alle Fälle.
Kleine Ladenflächen waren im Frühjahr auch Thema in der Kommunalpolitik. OB Lang sagt, er habe es aufgeben, Hauseigentümer zur Zusammenlegung ihrer Räume zu bewegen...
Die Zusammenlegung von Ladenflächen ist nur möglich, wenn sich die Eigentümer einig sind. Ein tolles Beispiel aus der Vergangenheit ist das Geschäft Feneberg in der Unterstadt.
Bei der Frage nach Problemen und Perspektiven der Altstadt-Geschäftswelt kommt das Thema immer sehr schnell auf die Parkplätze. Wie stehen Sie dazu?
Das ist sehr wichtig und ist bei jeder unserer Veranstaltungen Hauptthema – auch wenn es bei den Händlern unterschiedliche Meinungen gibt. Klar ist aber, dass wir auf dem Land sind, und da hat der Individualverkehr immer noch Vorrang. Hier kommt eben nicht alle Viertelstunde eine S-Bahn vorbei wie in der Großstadt. Deshalb sind wir auf Parkplätze angewiesen. Ich persönlich denke, es braucht nicht überall Parkplätze in der Innenstadt, weiß aber auch, dass meine Händler eine Verbannung des Autoverkehrs aus der Altstadt nicht wünschen.
Welche Lösungen könnte es denn zusätzlich oder alternativ geben?
Es ist wichtig, kundenorientierte Lösungen anzubieten. Ein Traumziel wären Kleinbusse, die die Menschen von Parkplätzen außerhalb in die Stadt bringen. Die Rote Erde wird zum Beispiel nicht genutzt, weil sie für viele zu weit weg ist. So wird das bei uns gesehen, in Berlin oder Stuttgart wäre eine Entfernung wie diese kein Thema. Wünschenswert wäre ein Park- und Ride-Konzept, und ich glaube, da wird sich im Zuge der Landesgartenschau noch einiges tun.
Sie sprachen Busse an. Wie stehen Sie zum aktuellen Stadtbus mit seinen großen Fahrzeugen?
Man sagt ja immer, Wangen ist eine Stadt der kurzen Wege. Da braucht es keinen großen Omnibus mit drei Haltestellen in der Innenstadt. Das ist Konsens bei den Händlern. Haltepunkte rings herum halte ich für völlig ausreichend. Allerdings müsste man die Karlstraße immer noch befahren.
Der CDU-Ortsvereinsvorsitzende Johannes Sontheim hat vor einiger Zeit den Bau eines Parkhauses auf dem P14 ins Gespräch gebracht. Was halten Sie davon?
Das kann ich mir durchaus vorstellen, auch weil man für die Landesgartenschau noch zusätzlichen Parkraum braucht und wir ja nicht so viel Fläche haben. Heutzutage gibt es da ja optisch ansprechende Lösungen. Aus privater Sicht halte ich ein Parkdeck auch für sinnvoller als in die Tiefe zu gehen.
Immer mehr Menschen kaufen bei Amazon & Co. ein. Wie spürt der Wangener Einzelhandel diesen Wandel?
Das macht sich bei uns noch nicht so extrem bemerkbar, ist aber die ganz große Herausforderung für die Zukunft, der sich die Händler stellen müssen. Vor allem, wenn ich mir die jüngere Generation anschaue. Die kennt ja fast nichts anderes mehr als die mobilen Geräte.
Wie kann der lokale, stationäre Handel da gegensteuern?
Dem kann man nur begegnen, indem man den Service noch mehr ausbaut. Das Erlebnis, in einem Geschäft, ein Produkt zu tasten oder zu riechen, muss noch mehr gelebt werden. Und: Der Kunde muss sich gut aufgehoben fühlen. Das funktioniert über Freundlichkeit. Wir als Leistungsgemeinschaft bauen gerade unsere Internetseite um. Sie soll zum verkaufsoffenen Sonntag an den Start gehen. Dort können sich Händler einbringen und die Seite ist für mobile Geräte besser nutzbar.
Heißt das, die Kundenfreundlichkeit ist noch ausbaubar?
Ich denke, Wangen ist schon eine der kundenfreundlichsten Städte. Das hat eine Umfrage bewiesen. Klar ist: In der Mehrheit sind die Kunden zufrieden, aber es gibt überall Verbesserungspotenzial.
Was meinen Sie konkret?
Für mich sind einheitliche Ladenöffnungszeiten eine ganz große Geschichte. Die Leistungsgemeinschaft wünscht sich, dass die Geschäfte samstags bis 15 oder 16 Uhr öffnen. Die Öffnungszeiten sollten einheitlich und nachhaltig sein. Fakt ist, dass das nur wenige machen, und das ist schwierig für all die, die am Wochenende ein Einkaufserlebnis haben möchten. Diese Kunden sind dann enttäuscht und wandern nach Ravensburg ab.
Woran hakt’s?
Wir haben viele von Inhabern geführte Geschäfte. Die verbringen schon viele Stunden in ihrem Geschäfte und sagen: Wenn ich das mache, dann steigt der Umsatz nicht entsprechend mit. Ich glaube aber: Man muss das lange genug machen, dann setzt sich das durch und dann wird sich das auch rechnen.
Sehen Sie denn Chancen für Ihren Wunsch?
Wir appellieren immer, aber es ist schwierig. Als Leistungsgemeinschaft können wir nur Empfehlungen aussprechen.
Sehen Sie Bedarf nach längeren Öffnungszeiten auch unter der Woche abends nach 18 Uhr?
Diese Regelung ist schon okay, und hier noch längere Öffnungszeiten wären für die Einzelhändler nicht machbar.
Nochmal zurück zum Service. Dazu gehören heute auch Lieferdienste. Amazon und Co. machen es ja erfolgreich vor. Und in Wangen gab es ja bereits einen Versuch in Zusammenarbeit zwischen Leistungsgemeinschaft und Schwäbisch Media. Woran ist dieser Ansatz gescheitert?
Das ist eigentlich unerklärlich, aber vielleicht hat das mit der schwäbischen Mentalität zu tun. Da sagen viele noch: Ich komme ja nächste Woche wieder in die Stadt, dann hole ich die Sachen ab.
Lag es auch an den Händlern?
Alle haben gesagt: Das ist eine super Idee, aber niemand hat sie genutzt. Die Händler hätten das Angebot sicher mehr befeuern müssen. Auch konnten wir als Leistungsgemeinschaft den Lieferservice nicht kostenlos anbieten. Und irgendjemand muss das ja bezahlen.