Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Die Forderungen werden lauter
Politiker und die Mehrheit der Bevölkerung pochen auf eine Beobachtung der AfD – Die Hürden sind hoch
RAVENSBURG - Die Stimmen aus der Politik und der Bevölkerung für eine Überwachung der AfD werden lauter. Doch welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Und was passiert bei einer Beobachtung? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wer fordert die Überwachung der AfD?
Spätestens seit der gemeinsamen Demonstration von AfD und der fremdenfeindlichen Pegida in Chemnitz werden die Forderungen deutlicher. Unter den Teilnehmern waren auch Hooligans und bekannte Neonazis. Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) möchte daher die Verbindungen zwischen der AfD und der rechtsextremen Szene aufdecken lassen. FDP-Chef Christian Lindner fordert eine teilweise Überprüfung, Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Linken-Chefin Katja Kipping plädierten für den Einsatz des Verfassungsschutzes. Zudem befürwortet die Mehrheit der Bürger eine Beobachtung der AfD. 65 Prozent halten dies für angemessen, wie aus dem am Donnerstag veröffentlichten ARD„Deutschlandtrend“hervorgeht.
Ist eine Beobachtung der AfD zum jetzigen Zeitpunkt möglich?
Sie wird bereits zum Teil beobachtet. Die Landesverfassungsschutzämter Bremen und Niedersachsen haben
Teile der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“im Blick. Der Thüringer Landesverfassungsschutz stuft die Landes-AfD seit Donnerstag als „Prüffall“ein. Für eine flächendeckende Beobachtung der Partei sieht Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) jedoch derzeit keine Anhaltspunkte. Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg hat die AfD laut Innenminister Thomas Strobl (CDU) „im Blick“. Zwar werde der Landesverband noch nicht beobachtet, aber: „Wenn die Voraussetzungen für eine Beobachtung vorliegen, muss freilich ganz schnell gehandelt werden“, so Strobl weiter.
Wann beobachtet der Verfassungsschutz eine Partei?
Wenn es Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen gibt. Diese richten sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Darin festgeschrieben sind beispielsweise die Unabhängigkeit der Gerichte, der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Angriffe auf nur einen dieser Grundsätze sind ausreichend. Dazu gehören auch Verbalattacken auf die Menschenwürde, die beispielsweise bei rassistischen Äußerungen gegenüber einer Volksgruppe gegeben sind. Die Nähe einzelner Abgeordneter zu Rechtsextremen oder einzelne Äußerungen von Parteimitgliedern reichen für eine Beobachtung noch nicht aus. Dafür müssen extremistische Einstellungen Parteilinie sein oder die Partei beherrschen – oder von führenden Repräsentanten kommen.
Was passiert bei einer Beobachtung?
Möglich ist die Beobachtung der gesamten Partei. Der Verfassungsschutz kann sich aber auch auf Unterorganisationen, Strömungen, einzelne Abgeordnete oder Parteimitglieder konzentrieren. Für eine Beobachtung nutzt er sämtliche öffentlichen Quellen, also Medien, Parteiprogramme, Internetseiten, Reden von Einzelpersonen oder Infomaterial wie Flugblätter. Der nächste Schritt wäre die Überwachung, falls es Anzeichen für eine mögliche schwerwiegende Straftat gibt. Dabei greift der Verfassungsschutz auf nachrichtendienstliche Mittel zurück. Er darf Telefongespräche aufzeichnen, E-Mails mitlesen und VLeute einsetzen. Dafür braucht der Verfassungsschutz allerdings zunächst die Zustimmung von Innenminister Seehofer. Erklärt sich dieser einverstanden, setzt sich die sogenannte G-10-Kommission, ein Gremium des Parlaments, zusammen. G-10 daher, weil Artikel 10 des Grundgesetzes das Brief- und Fernmeldegeheimnis garantiert. Diese Kommission besteht nicht aus Abgeordneten, sie ist unabhängig. Stellt sich heraus, dass eine Partei an der Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung arbeitet, kann sie verboten werden.
Welche Parteien beobachtet der Verfassungsschutz gegenwärtig?
Der Verfassungsschutzbericht 2017 listet mehrere Parteien und Strömungen aus dem linken und rechten Spektrum auf. Unter Beobachtung stehen demnach etwa die Kommunistische Plattform der Linken und andere „offen extremistische Bestrebungen“wie die Arbeitsgemeinschaft Cuba Si, die Antikapitalistische Linke und das Marxistische Forum. Als linksextremistisch gelten laut dem Bericht auch die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) und die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP). Rechtsaußen beobachtet der Verfassungsschutz die NPD sowie deren Teilorganisationen „Junge Nationalisten“(JN), „Ring Nationaler Frauen“(RNF) und die „Kommunalpolitische Vereinigung der NPD“. Auch „Die Rechte“und die Partei „Der III. Weg“befinden sich im Fokus der Verfassungsschützer.