Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
VW, BMW und Daimler drohen Bußgelder in Milliardenhöhe
EU-Kommission verschärft Ermittlungen wegen möglicher Absprachen zur Schadstoffemission
BRÜSSEL (dpa) - Genau drei Jahre nach Beginn der Abgasaffäre bei Volkswagen droht den großen deutschen Autobauern neuer Ärger: Wegen des Verdachts wettbewerbswidriger Absprachen leitete die zuständige EU-Kommission am Dienstag ein offizielles Kartellverfahren gegen Daimler, BMW und VW ein. Es könnte im schlimmsten Fall zu Geldbußen in Milliardenhöhe führen.
„Die Kommission will eingehender untersuchen, ob BMW, Daimler und VW vereinbart haben, bei der Entwicklung und Einführung wichtiger Technologien zur Verringerung der Schadstoffemissionen von Benzinund Diesel-Pkw nicht miteinander
zu konkurrieren“, kündigte EUWettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Dienstag an.
Konkret sollen sich die Autobauer bei der Einführung von SCR-Katalysatoren für Dieselmotoren und bei Feinstaub-Partikelfiltern für Benzinmotoren abgesprochen haben. „Falls dieser Verdacht zutreffen sollte, hätten die Hersteller den Verbrauchern die Möglichkeit vorenthalten, umweltfreundlichere Autos zu kaufen, obwohl die entsprechenden Technologien zur Verfügung standen“, so die EU-Kommissarin. Noch ist der Ausgang des Verfahrens völlig offen. Eine direkte Verbindung zum Abgasskandal und den Manipulationen bei Dieselautos
gebe es aber nach dem derzeitigen Stand der Untersuchungen nicht, stellte ein Sprecher der EUKommission klar.
Die Brüsseler Wettbewerbsbehörde hatte bereits im Oktober 2017 Voruntersuchungen bei den Autobauern begonnen und hatte bei den Herstellern Unterlagen gesichtet. Nun leitet sie ein formelles Verfahren ein.
Das trifft die Autobauer zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Die Branche steht bereits wegen der VW-Abgasaffäre und zu hoher Dieselemissionen unter Druck. Staatsanwälte ermitteln bei VW und Daimler, auch US-Behörden wurden aufgeschreckt. Immer noch ist unklar, ob die Hersteller nach
Software-Updates auch die Kosten für teure Hardware-Umrüstungen tragen müssen. Bei den nun in Rede stehenden Kartellverstößen könnten ihnen zusätzlich Milliardenstrafen drohen.
Daimler und Volkswagen hatten deshalb vorsorglich Selbstanzeige erstattet. Wessen Antrag zuerst eingereicht wurde und wer damit zum Zuge kommen wird, ist bislang nicht klar. Der Kronzeuge in Kartellverfahren darf in der Regel auf den größten Nachlass bei Strafzahlungen bis hin zur kompletten Verschonung hoffen. Zu Einzelheiten wollten sich die Hersteller am Dienstag denn auch nicht äußern. Sie kündigten lediglich an, weiter mit den Behörden zusammenzuarbeiten.
Die Ermittlungen der EUKommission beziehen sich lediglich auf das Thema Emissionen. Preisabsprachen sind ebenso wenig Teil des Verfahrens wie andere Themen des „Fünferkreises“. In dem Zirkel wurden der Kommission zufolge etwa Detailfragen erörtert wie die Höchstgeschwindigkeiten von Tempomaten oder Öffnungsmechanismen von Cabrio-Dächern. „Zum jetzigen Zeitpunkt liegen der Kommission keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Gespräche des Fünferkreises als wettbewerbswidriges Verhalten einzustufen wären, das einer weiteren Prüfung bedürfte“, hieß es in Brüssel.