Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Der ewige Revoluzzer
Konstantin Wecker stellt sein neues Buch vor und gibt sich wie immer kämpferisch
MÜNCHEN - Draußen am Zaun hängt ein Banner mit der Aufschrift „Heimathafen statt Ankerzentren“, drinnen am Eingang weist eine Tafel auf die heutige Infoveranstaltung „Gesprächspartner für Flüchtlinge“hin – und beides dürfte der prominente Gast dieses Abends sicher gutheißen. Denn er ist bekannt dafür, seine Stimme in politischen Fragen zu erheben. Für die Schwachen, für die Armen, für die Umwelt – erst tags zuvor hat er auf seinem rege befüllten Internetblog gegen das „Kapitalverbrechen“im Hambacher Forst gewettert.
Die Rede ist von Konstantin Wecker. Dem Liedermacher, Komponisten, Musiker und Autor. Dem Pazifisten, Nazi-Bekämpfer, Antikapitalisten und ewigen Revoluzzer. 1983 hat er in dem gleichnamigen Lied gesungen „A Revoluzzer müaßt ma sei/ dann war des Leidn schnei vorbei. Aba wer macht si scho die Plog/und macht sei Mei auf, wenn a mog?“
Eine Antwort auf diese letzte Frage ist natürlich Konstantin Wecker selbst. Denn auch im Alter von 71 Jahren mag der Münchnerischste aller Musiker sein Maul aufmachen, so auch heute bei der Präsentation seines neuen Gedicht- und Gedankenbüchleins „Auf der Suche nach dem Wunderbaren – Poesie ist Widerstand“. Allein dass Wecker sein Werk am Erscheinungstag hier im „Bellevue di Monaco“vorstellt, spricht ja Bände. Denn dahinter verbirgt sich Wohn- und Kulturzentrum für Geflüchtete, das Münchner Kulturschaffende als Sozialgenossenschaft auf die Beine gestellt haben – gegen einigen Widerstand.
Naiv? Na und!
Ein rechter Platz also für den Widerständler Wecker, der sich braungebrannt, in Jeans und weißem Hemd seinen Weg auf die Bühne bahnt. Zum Silberflaum auf dem Kopf trägt er eine schwere Brille und darunter sein Dauerlächeln, das an diesem
Abend zwischen freundlich und spöttisch, zwischen begeistert und gequält changiert. Um Poesie geht es in seinem Buch und um Widerstand. Widerstehen sei als Poet unerlässlich, betont Wecker. Was folgt, ist eine einstündige Lesung seiner Gedichte und Gedanken, mal gesungen und mal gesprochen, mal mit Märchenonkelstimme gebrummt und mal so forsch geröhrt, dass man meinen könnte, da vorne sitze der wahlkämpfende Gerhard Schröder. Scharf wird Wecker, wenn er sich seine altbekannten Gegner vorknöpft, die „Mächtigen und Superreichen“, die „Technokraten und Killerkapitalisten, Betriebswirtschaftszombies und Chefideologen.“Sanft wird er, wenn’s um die von ihm bewunderten Dichter geht – um Rilke, Benn und Trakl, „ohne den ich meine Pubertät nie lebend überstanden hätte“. Doch Poesie ist für Wecker nicht nur tröstend, sondern auch trotzend: eine „verbale Steinschleuder, um den Goliath wenigstens ein bisschen ins Grübeln zu bringen“.
Der Goliath, das sind die Mächtigen, die es zu stürzen gelte – nicht mit einer blutigen, sondern mit einer „zärtlichen Revolution“, sagt Wecker. Denn andere umzubringen „ist
seit jeher ein altbewährtes Mittel der Mächtigen. Wer sich dessen bedient, unterscheidet sich nicht von ihnen. Für mich ist ein Revolutionär nur der, der sich all dem entzieht, was allgemein dem Machterhalt dient. Wer sich befreit vom Herkömmlichen. Vom Hass. Vom Auge um Auge. Vom Patriarchat.“
Sagt‘s und erntet Applaus der Besucher, die meisten aus Weckers Generation, die mit ihm und seinen Liedern mittlerweile ein gesetztes Alter erreicht haben. Und doch ist dieser Künstler der Kunst nicht müde – und des Widerstands auch nicht. Später wird er draußen an einem Tisch Platz nehmen und Bücher signieren – vor sich ein Weißbier, im Mundwinkel eine Zigarette. „Nennt mich gerne einen Spinner/Utopisten und naiv“, singt er in einem seiner neuen Lieder. Naiv sei er?, hat er zuvor auf der Bühne gefragt – und die Antwort selbst gegeben: „Na und!“ Konstantin Wecker: Auf der Suche nach dem Wunderbaren – Poesie ist Widerstand. Gütersloher Verlagshaus,143 Seiten. 15 Euro.