Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
BSW-Schulleiter sehen Herausforderungen
Strukturreform am Beruflichen Schulzentrum Wangen greift – Patrick Well ist eingearbeitet
WANGEN/LEUTKIRCH - Seit Schuljahresbeginn greift an den Beruflichen Schulen des Landkreises Ravensburg die Ende Januar beschlossene Strukturreform. Für das Berufliche Schulzentrum Wangen (BSW) bedeutet dies ein verändertes Ausbildungsangebot: vor allem mit weniger Gewerbe, dafür mit einem kompletten landwirtschaftlichen Bereich. Die neuen Rahmenbedingungen betrachten der neue Schulleiter Patrick Well und sein Stellvertreter Holger Kopp als Herausforderung.
Am 16. Juli wurde er offiziell ins Amt eingesetzt, zum Schuljahresbeginn am 10. September begann für Patrick Well dann „der Ernst des Lebens“. Dazwischen hat sich der neue BSW-Schulleiter mit seinem Vorgänger Raimund Frühbauer eingearbeitet, hat viele Gespräche geführt, Informationen gesammelt, neue Menschen kennengelernt. Die Einarbeitung bezeichnet Well als „sehr gut“, die Vorbereitung als „ziemlich geglückt“. „Ich fühle mich sehr wohl hier“, sagt der 45-Jährige, der mit seiner Familie in Wangen mittlerweile auch in Sachen Wohnsitz heimisch geworden ist. Gleichwohl: „Es ist immer noch eine Herausforderung, sich auf viele Dinge einzustellen.“
Die Herausforderung hat nicht nur mit der neuen Arbeit zu tun, sondern auch mit dem Kreistagsbeschluss vom 25. Januar. Damals stellte das Gremium die Weichen für eine Neuordnung des Ausbildungsangebots an den beruflichen Schulen im Landkreis. Davor war teilweise heftig über Sinn und Unsinn dieser Strukturreform diskutiert worden. Besonders emotional war es in Wangen, das sich dagegen wehrte, den Großteil der gewerblichen Ausbildung zu verlieren. Am Ende gab es einen Kompromiss, mit dem auch die damalige BSW-Schulleitung leben konnte. Und mit dem Patrick Well und sein neuer Stellvertreter Holger Kopp seit einigen Wochen arbeiten müssen. Die Situation am Wangener Berufsschulzentrum in den veränderten Ausbildungsbereichen stellt sich aktuell so dar:
Schüler und Personal: Trotz geändertem Ausbildungsangebot sind die Schülerzahlen mit knapp 2000 ungefähr gleich geblieben. Größere Veränderungen gab es beim Personal, wo die Fluktuation höher als üblich ist. Rund 150 Lehrer unterrichten aktuell am BSW, das sind knapp zehn mehr als im Vorjahr. Die Zunahme ist laut Schulleitung auf den neuen landwirtschaftlichen Bereich mit Praxisunterricht auf den Höfen zurückzuführen.
Bankkaufmann: Neu ist seit ● diesem Schuljahr, dass die Ausbildung zum klassischen Bankkaufmann kreisweit in Wangen konzentriert wird. Vier Schüler kamen deshalb aus dem Ravensburger Raum hinzu, die Eingangsklasse am BSW ist derzeit laut Patrick Well rund 20 Schüler stark: „Wir sind deutlich von einer Kleinklasse entfernt.“
Metallbereich: Laut dem vom ● Kreistag beschlossenen Kompromiss bleiben die Berufsfachschule Elektro- und Metalltechnik sowie das erste Lehrjahr der Metallberufe in Wangen, um Jugendlichen von hier den Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern. Wer danach weitermachen will, muss nach Tettnang (Elektro) oder nach Leutkirch (Metall). In Wangen läuft die Berufsschule im Metallbereich in den kommenden Jahren aus, die derzeitigen Klassen zwei bis vier werden bis zum jeweiligen Abschluss hier weiter beschult.
Kfz-Bereich: Die gewerbliche ● Ausbildung im Bereich Fahrzeugtechnik in der Region Allgäu wandert Schritt für Schritt von Wangen nach Leutkirch, dort werden bereits dieses Schuljahr die Schüler der Eingangsklasse (Berufsfachschule) unterrichtet. Die letzten Kfz-Azubis am BSW sind im November 2019 fertig. Nach einer Besichtigung des „Kompetenzzentrums Fahrzeugtechnik“unlängst in Leutkirch zeigt sich Patrick Well beeindruckt von den neuen Räumlichkeiten: „Auch wenn der Standort für manchen Schüler spürbare Nachteile mit sich bringt, sehe ich hier die Vorteile: Die Ausbildung dort ist innovativ und technisch auf dem neuesten Stand.“Landwirtschaft: Im neuen, ● kreisweiten „Kompetenzzentrum Milch und Landwirtschaft“werden im ersten Jahr 17 angehende Landwirte beschult. Die meisten kommen aus den Regionen Leutkirch und Ravensburg. „Hier ist aus dem Bereich Wangen noch Potenzial da“, sagt der BSW-Schulleiter.
Er will in diesem Schuljahr kräftig Werbung für diese Berufsausbildung am BSW machen und setzt dabei auch auf eine gewisse „Mundpropaganda“von den Hoflehrern oder auf Messen und Ausstellungen. Ebenfalls werben wollen Well und Kopp für das neue Agrarwissenschaftliche Gymnasium in Wangen, das im ersten Jahrgang lediglich 14 Schüler besuchen – gemeldet waren im Frühjahr noch rund 20. „Das hat unter anderem mit den weiten Wegen zu tun, ist aber auch der damaligen Kurzfristigkeit bei der Anmeldung geschuldet, als noch viel Unsicherheit da war“, sagt der Schulleiter. „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir uns hier stabilisieren, weil wir eine landwirtschaftlich geprägte Region sind. Das AG ist eine tolle Ergänzung für diejenigen, die auf ein berufliches Gymnasium gehen wollen.“
Neben Agrarwissenschaftlichem Gymnasium und der Ausbildung zum Landwirt wird am BSW ab kommendem Schuljahr auch die Zusatzqualifikation zum Nebenerwerbslandwirt angeboten. Der gesamte landwirtschaftliche Bereich soll dann auch die bestehenden KFZWerkstätten nutzen. „Der frei werdende Platz wird Schritt für Schritt von der Landwirtschaft aufgefüllt“, so Well.
Wie genau und vor allem wann es mit den naturwissenschaftlichen Räumen weitergeht, ist noch nicht geklärt. Die vier größeren Fachräume sollen modernisiert, der kleine Fachraum könnte eventuell sogar erweitert werden. Dies steht auch im Zusammenhang mit dem neuen Agrarwissenschaftlichen Gymnasium. Auch insgesamt benötigt das Berufliche Schulzentrum Platz. Darum kommt die Verzögerung bei der Altbau-Sanierung am Rupert-NeßGymnasium, das deshalb wohl bis Schuljahresende drei BSW-Räume für den Kunstunterricht benötigt, zur unpassenden Zeit.
Eine weitere Herausforderung also für das neue Schulleiter-Duo – neben den Veränderungen beim Ausbildungsangebot. „Wir müssen hier wieder nach vorne blicken“, sagt Patrick Well. „Die Entscheidung ist gefallen, und wir müssen jetzt schauen, dass sich Energie daraus entwickelt.“