Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Viele Deutsche arbeiten im Alter weiter
Baden-Württemberger über 65 am fleißigsten – Lebenserwartung im Südwesten am höchsten
BERLIN - Mehr als jeder Fünfte in Deutschland ist 65 Jahre alt oder älter – und jedes Jahr wird dieser Anteil größer. Zugleich werden die Senioren immer älter und fitter. Die Hälfte der über 65-Jährigen ist im Internet unterwegs, und die älteren Mitbürger werden ein wichtiger Faktor der Freizeitindustrie. „Ältere Menschen sind heute so aktiv wie nie“, sagte der Leiter des Statistischen Bundesamtes, Georg Thiel, am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung des Jahrbuchs des Statistischen Bundesamtes. Auch verstärkt sich der Trend, im Rentenalter weiterzuarbeiten, vor allem in Baden-Württemberg.
Im vergangenen Jahr waren der Statistik zufolge bundesweit 16,1 Prozent der 65- bis 69-Jährigen erwerbstätig. 2007 waren es lediglich 7,1 Prozent, also weniger als die Hälfte. Besonders fleißig sind die Baden-Württemberger. Gut jeder Fünfte im Südwesten war im vergangenen Jahr berufstätig (21,9 Prozent). Damit hat sich der Anteil arbeitender Senioren in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt: 2007 waren es noch 9,9 Prozent. Damit liegt BadenWürttemberg im bundesweiten Vergleich klar an der Spitze.
„Das sind zum Großteil Menschen, die noch arbeiten wollen und das auch können“, sagte Claudia Vogel vom Deutschen Zentrum für Altersfragen am Donnerstag zu dieser Entwicklung. Die letzte Erhebung aus dem Jahr 2014 ergab: Spaß an der Arbeit war mit großem Abstand der häufigste Grund, warum Menschen der Generation 65 plus noch arbeiteten (67 Prozent). Nur knapp 40 Prozent nannten finanzielle Gründe. „Es ist sehr identitätsstiftend, weiter im Arbeitsleben zu stehen“, sagte die Altersforscherin Verena Klusmann von der Universität Hamburg. „Und es ist gesellschaftlich gewollt. Man will die Älteren halten, man kann auf ihre Expertise nicht verzichten.“
Auch in puncto Lebenserwartung liegt der Südwesten vorn. Mädchen, die derzeit in Deutschland zur Welt kommen, werden im Schnitt 83 Jahre und zwei Monate alt, bei Jungen sind es 78 Jahre und vier Monate. In Baden-Württemberg liegt der Schnitt hingegen bei 79 Jahren und sieben Monaten beziehungsweise 83 Jahren und elf Monaten.
BERLIN – Der Anteil der älteren Bevölkerung in Deutschland nimmt zu. Doch von Beine hochlegen und ausruhen ist immer weniger die Rede, die Rentner werden immer fitter. Das zeigt das Statistische Jahrbuch 2018, das sich diesmal dem Aspekt „Aktiv im Alter“widmete. So gibt es nicht nur einen regelrechten Ansturm auf Volkshochschulen und Unis, auch immer mehr Rentner sind erwerbstätig, besonders in Baden-Württemberg. Hier ist die Quote mit 9,6 Prozent der über 65-jährigen Erwerbstätigen am höchsten, in Sachsen-Anhalt zum Vergleich mit drei Prozent am niedrigsten.
Ältere Menschen spielen schon rein zahlenmäßig in der Gesellschaft eine immer bedeutendere Rolle, damit steigt auch ihr politischer Einfluss. Denn die Älteren haben eine sehr viel höhere Wahlbeteiligung als die Jungen. 81 Prozent der 60 bis 69Jährigen gingen bei der letzten Bundestagswahl an die Wahlurne, der Schnitt lag bei 76.
Grüne haben das Nachsehen
Hätte man nicht die jüngsten Wahlen noch im Gedächtnis, könnte man CDU und SPD gratulieren. Die CDU war bei der Bundestagswahl in allen Altersgruppen die stärkste Partei, aber bei den Wählern über 70 Jahren lag ihr Stimmenanteil mit 36,5 Prozent am höchsten. Auch die SPD erzielte mit 25,2 Prozent in dieser Altersgruppe ein überdurchschnittliches Ergebnis. Dagegen konnte die AfD bei den ältesten Wählern nicht so punkten (8,9 Prozent) wie bei den anderen, und die Grünen erreichten in dieser Altersgruppe den sehr geringen Stimmenanteil von 3,8 Prozent.
Die Babyboomer kommen jetzt ins Seniorenalter. Derzeit sind 21,4 Prozent der Menschen in Deutschland über 65, im Jahr 2030 werden es schon 26 Prozent sein, 2060 dann 31 Prozent. Bemerkenswert ist, dass Baden-Württemberg den niedrigsten Anteil von Personen über 65 hat, obwohl hier die Lebenserwartung am höchsten ist. Sie liegt derzeit bundesweit für neugeborene Jungen bei 78 Jahren und vier Monaten und für Mädchen bei 83 Jahren und zwei Monaten. In Baden-Württemberg beträgt sie 79 Jahre und sieben Monate für Männer und für Frauen 83 Jahre und elf Monate.
Altersarbeit nimmt zu
In der Altersgruppe der 65- bis 69-jährigen arbeitet bundesweit heute schon ein Fünftel der Senioren. 204 000 Personen im Rentenalter gehen in Baden-Württemberg einer Beschäftigung nach. Die meisten arbeiten zwischen fünf und 14 Stunden in der Woche, 36 000 Rentner aber auch 40 Stunden und mehr. In Bayern sieht es ähnlich aus. Hier arbeiten 209 000 Rentner, 45 000 sogar über 40 Stunden.
Und was tun Senioren in ihrer Freizeit? Klar ist, dass die Generation 65 plus mit 2,39 Stunden Fernsehen am Tag Spitzenreiter ist. Aber auch für das soziale Leben, für Geselligkeit, Sport und Hobbys nehmen sich ältere Menschen immer mehr Zeit. 36 600 Gasthörer besuchten im letzten Jahr Lehrveranstaltungen an deutschen Unis, und die Generation 65 plus belegte 761 000 Kurse an Volkshochschulen. Ihr Anteil an allen Kursbesuchen ist im Vergleich zu 2007 von zwölf Prozent auf 16 Prozent gestiegen. Darin zeigt sich laut Bundesamt das wachsende Interesse älterer Menschen an Gesellschaft und Teilhabe.
Der Blick in die Zukunft zeigt, dass die Bevölkerung künftig noch wesentlich stärker als heute von älteren Menschen geprägt sein wird. „Wir müssen dem Alter eine Chance geben“, sagt Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes. Dazu gehört, seine Fähigkeiten weiter zu nutzen und zu fördern. Doch obgleich die Alten sich immer fitter halten, werden sie überdurchschnittlich oft bei Unfällen getötet. Das liegt aber nicht nur daran, dass sie nicht schnell genug die Straße überqueren können oder schlecht sehen, denn sie stellen nur 13 Prozent der Unfallbeteiligten. Doch leider sterben sie viel häufiger an ihren Verletzungen, da die körperliche Widerstandsfähigkeit mit dem Alter sinkt.
Opfer im Straßenverkehr
Jeder Dritte im Straßenverkehr getötete Mensch war im letzten Jahr 65 Jahre und älter. Ein besonders hohes Risiko besteht für ältere Menschen als Fußgänger und auf dem Fahrrad. 2017 waren 59 Prozent der getöteten Radfahrer und 51 Prozent der getöteten Fußgänger mindestens 65 Jahre alt.
Eine Grafik zur Lebenserwartung in BadenWürttemberg finden Sie unter www.schwäbische.de/ lebenserwartung