Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Spenderorgane dringend gesucht
Bei einer Orientierungsdebatte äußern einige Abgeordnete Bedenken gegen die Änderungspläne des Gesundheitsministers
BERLIN - Sollen Menschen in Deutschland weiterhin nur nach eigener Zustimmung Organe spenden? Oder soll die Organspende zum Normalfall werden, dem man widersprechen muss, wenn man es nicht möchte? Über diese Frage wurde in einer offenen Orientierungsdebatte im Bundestag diskutiert, Fraktionszwang gab es keinen. Auf Grundlage dieser Debatte sollen konkrete Gesetzesentwürfe entstehen, Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) strebt eine Entscheidung bis Mitte 2019 an.
Die Zahlen belegen, dass dringender Handlungsbedarf besteht: Mehr als 10 000 Patienten warten in Deutschland laut Gesundheitsministerium auf ein Spenderorgan: Spender gibt es deutlich weniger – 832 waren es bis Mitte November. „Jeden Tag sterben drei Menschen, die kein Spenderorgan bekommen“, sagt Petra Sitte (Linke).
Um die Zahl der Spenderorgane zu erhöhen, plädiert Jens Spahn für eine „doppelte Widerspruchslösung.“Demnach gilt jeder als Spender, solange er nicht widerspricht. Wenn man zu Lebzeiten nicht Nein sagt und stirbt, müssen die Angehörigen aber noch einmal nach dem Willen des Verstorbenen gefragt werden.
Auch Karl Lauterbach (SPD) ist für die Widerspruchslösung. Jeder Fünfte, der auf ein Spenderorgan warte, sterbe. Dabei gehe es für ihn nicht nur darum, den Tod zu verhindern. Für ihn sei es auch wichtig, Leid zu unterbinden – beispielsweise von Dialysepatienten, die an den Nebenwirkungen leiden. Die Menschen sollen sich mit einer Spende beschäftigen, „das ist nicht zu viel verlangt“.
Diesem letzten Argument könnten sich auch Annalena Baerbock und Katja Kipping, Vorsitzende der Grünen und der Linken, anschließen. Sie plädieren gemeinsam mit anderen Bundestagsabgeordneten ebenfalls für eine Änderung der aktuellen Zustimmungslösung: Handlungsbedarf gebe es, weil 84 Prozent der Menschen einer Organspende positiv gegenüberstehen, aber nur 36 Prozent einen Organspendeausweis besitzen. Die beiden fordern eine verbindliche Befragung. Jedes Mal, wenn ein Ausweis, Reisepass oder Führerschein neu beantragt wird, solle nachgefragt werden, ob man Organe spenden möchte oder nicht. So würde sich jeder damit beschäftigen und es wäre möglich, seine Meinung noch einmal zu überdenken.
Kritik an der Widerspruchslösung von Spahn gibt es, weil nicht nachgewiesen sei, dass die momentane Zustimmungslösung schuld an den niedrigen Organspenderzahlen ist. So werde in Spanien beispielsweise faktisch die Zustimmungslösung praktiziert, die Spenden seien aber rund viermal höher. Das liege laut mehreren Abgeordneten daran, dass es in dem südeuropäischen Land bessere Strukturen gebe. Diese sollen auch in Deutschland verbessert werden, unter anderem durch eine bessere Vergütung der Krankenhäuser.
Darüber hinaus sei der Vorschlag von Spahn laut Karin Maag (CDU) ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht und die körperliche Selbstbestimmung. Für Kerstin Griese (SPD) würde aus einer Spende eine Abgabe gemacht.
Parallel zur Debatte im Bundestag hat die Bundesregierung bereits ein Gesetz für bessere Bedingungen in den Krankenhäusern auf den Weg gebracht. Im Mittelpunkt stehen höhere Vergütungen durch Krankenkassen und mehr Freiraum für Transplantationsbeauftragte in den Kliniken.