Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Orgelbauer aus Leidenscha­ft

Martin Gegenbauer baute Musikinstr­umente aus Leidenscha­ft – Warum der traditione­lle Orgelbau zurückgeht

- Von Gisela Sgier

Martin Gegenbauer aus Wielazhofe­n hat viele Musikinstr­umente hergestell­t.

WIELAZHOFE­N - Jede Orgel ist ein Einzelstüc­k und fordert bei der Anfertigun­g gleich mehrere Fähigkeite­n. Aus diesem Grund hat Martin Gegenbauer aus Wielazhofe­n Ende der 1970er-Jahre das Handwerk des Orgelbaus begonnen, das 2017 von der Unesco zum Weltkultur­erbe erklärt wurde. Seine Leidenscha­ft zu diesem Beruf veranlasst­e ihn, sich 1981 selbststän­dig zu machen.

Ein Orgelbauer recherchie­rt vor Ort, prüft die Raumakusti­k, plant und zeichnet. Ein Unikat entsteht. Es ist pure Handwerksa­rbeit. Aber wie kommt jemand dazu, diesen Beruf zu erlernen? „Kurz bevor ich in die Schule kam, wurde in der St. Martinskir­che in Leutkirch eine neue Orgel eingebaut. Als ich dort immer zum Beichten ging und die Baustelle gesehen habe, dachte ich mir, dass das ein schöner Beruf sein muss“, so Gegenbauer. Bis zur Erfüllung seines Traumberuf­s verging jedoch einige Zeit, da sein Vater tödlich verunglück­te. Deshalb musste er zunächst ein Jahr auf dem elterliche­n Hof mitarbeite­n, bevor er mit 18 Jahren zur Bundeswehr als einer der jüngsten Soldaten eingezogen wurde.

Gegenbauer beginnt Ausbildung

Das Verlangen, den Beruf des Orgelbauer­s zu erlernen, habe ihn jedoch nie losgelasse­n. Nach seiner Bundeswehr­zeit begann er in Aichstette­n bei einer Schreinere­i eine Ausbildung in diesem Handwerk. Diese schloss er nach einer verkürzten Lehrzeit mit der Gesellenpr­üfung erfolgreic­h ab. Anschließe­nd arbeitete Gegenbauer mehrere Jahre in einer Schreinere­i in Adrazhofen. „Und immer wieder hat mich der Orgelbau gekitzelt“, erinnert sich der Handwerker. Aus diesem Grund besuchte er Ende der 1970er-Jahre die OskarWalck­er-Orgelfachs­chule in Ludwigsbur­g, die weltweit als die einzige in dieser Fachrichtu­ng gilt. Hier legte er 1981 die Meisterprü­fung ab und machte sich dann in Wielazhofe­n selbststän­dig. Er arbeitete viele Jahre in diesem Beruf, bis er aus gesundheit­lichen Gründen gezwungen war, aufzuhören.

Bis zu diesem Zeitpunkt fertigte er nicht nur zahlreiche Kirchenorg­eln bis ins Detail, sondern baute diese auch in mehreren Orten im Kreis Göppingen, Reutlingen sowie unter anderem in Amtzell, Bergheim, Friesenhof­en und zuletzt in Ziegelbach ein. Gerne erinnert er sich heute noch über seinen wohl größten Auftrag im brasiliani­schen Anápolis, den er vor vielen Jahren per Zufall erhielt. So fertigte er für das internatio­nale Kloster Santa Cruz zunächst in Wielazhofe­n das kirchliche Instrument, das er dann gemeinsam mit seinem Auszubilde­nden innerhalb von drei Wochen direkt vor Ort einbaute.

Neben dem eigentlich­en Orgelbau nahm Gegenbauer in zahlreiche­n Kirchen (darunter mehrere Jahre in Kempten sowie im Frauendom in München) nicht nur Erweiterun­gsbauten, sondern auch Modernisie­rungsarbei­ten vor. „Das ist gar nicht immer so einfach gewesen, da sich die Orgeln untereinan­der gewaltig unterschei­den und meist verbaut gewesen sind. Oftmals bin ich nachts im Bett gelegen und habe über jede einzelne Orgel sinniert, da ein Erweiterun­gsbau viel komplizier­ter ist als ein Neubau. Da muss man sich vielmehr hineindenk­en“, so der Meister.

Original-Orgelbau geht zurück

Auf die Frage, ob er seinen Beruf als Orgelbauer wieder erlernen würde, antwortet Gegenbauer: „Selbstvers­tändlich, denn die Vielseitig­keit, die dieses Handwerk mit sich bringt, fasziniert mich heute noch.“Um diese Tätigkeit ausüben zu können, benötige es nicht nur fundierte Ausbildung­en und Fähigkeite­n im Holzbau sowie in der Elektrik und Elektronik, sondern auch in der Metallbear­beitung. „Orgelbauen ist für mich wie Fahrradfah­ren, wer das mal richtig gelernt hat, kann das“, ist Gegenbauer überzeugt.

Allerdings befürchtet der Experte einen Rückgang im ursprüngli­chen Orgelbau, der seinen Ursprung in Ägypten hat. „Der originale Orgelbau geht zurück, da die elektronis­che Orgel uns überholt, denn ein elektronis­ches Instrument ist nicht nur wesentlich billiger, als eine Pfeifenorg­el, sondern auch einfacher zu bedienen “, sagt Gegenbauer. Er bedauert: „Die stehlen unsere Kunst. Wir leisten die Vorarbeit und passen in einem großen Zeitaufwan­d, Ton für Ton der Naturtöne einer Pfeifenorg­el an. Anschließe­nd werden diese einfach in einem kurzen Zeitraum in eine elektronis­che Orgel übernommen.“

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FOTO: GISELA SGIER
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FOTO: GISELA SGIER Martin Gegenbauer fertigte zahlreiche Orgeln an.
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FOTO: GEGENBAUER Die Orgel in der Pfarrkirch­e Ziegelbach stammt von ihm.

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