Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Mehr als 30 Jahre hinter Gittern
Diebstahl und Beleidigung: Haft um ein weiteres halbes Jahr verlängert
ISNY/WANGEN - Das Amtsgericht Wangen hat einen bereits in der Justizvollzugsanstalt Ravensburg einsitzenden Häftling wegen zahlreicher neuer Vergehen zu weiteren sechs Monaten Haft verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, einmal mehr in einem Isnyer Lebensmittelgeschäft Alkohol in kleinen Mengen gestohlen und außerdem die Mitarbeiterin eines Behindertenheims in der Stadt schwer beleidigt zu haben. Der Mann wurde von zwei Polizisten in den Saal des Amtsgerichts geführt.
Es liege noch eine ganze Palette anderer Vergehen vor, sagte der Richter einleitend, verhandelt würden diesmal indes nur die Diebstähle und die Beleidigung. Dass er eine Flasche Sekt im Wert von fünf Euro und diverse Lebensmittel mitgenommen hatte, gab der Angeklagte zu. Doch von Beschimpfungen der jungen Frau gegenüber wollte er nichts wissen: „Es ist deprimierend, so schlimme Zeiten zu überwinden,“erklärte der Mann. Er habe zu dieser Zeit nichts mehr besessen, auch habe er sein Diebesgut zum Teil mit anderen geteilt.
Tatsächlich zeichnet das Leben des Angeklagten eine traurige Linie: In der damaligen DDR sei er schon in jungen Jahren in ein Kinderheim gekommen. Mit 16 Jahren wurde er nach einem Fluchtversuch über die innerdeutsche Grenze als politischer Gefangener inhaftiert, im Gefängnis hätten schlimme Bedingungen geherrscht. Die Schule habe er, wenn überhaupt, bis zur fünften Klasse besucht. Laut des Anwalts sitze sein Mandant bereits mehr als 30 Jahre hinter Gittern.
Die junge Frau, die der Angeklagte beleidigt haben soll, berichtete als Zeugin von dem Vorfall: Der stark angetrunkene Mann habe sich unerlaubt auf dem Gelände der Einrichtung aufgehalten, in der sie arbeitet. Dort habe er schon seit geraumer Zeit Hausverbot gehabt. Er sei auf einem Elektro-Scooter herumgefahren und habe laute Schimpftiraden gerufen, während er immer wieder zur Schnapsflasche griff. Die verständigte Polizei habe dem Treiben schließlich Einhalt gebieten können. Die Zeugin sprach von Beleidigungen gegen sie, die unter die Gürtellinie gegangen seien, was der Angeklagte jedoch vehement abstritt. Staatsanwalt und Richter stellten aber infrage, dass die Zeugin die Unwahrheit sagte. Der Anwalt des Mannes wies mehrmals darauf hin, dass angesichts des geringen Werts des Diebesguts im Normalfall eine geringe Geldstrafe angemessen wäre. Außerdem erschienen ihm die drei Monate Haft, die die Staatsanwaltschaft wegen der Beleidigung forderte, als viel zu hoch, ein Monat reiche aus seiner Sicht aus.
Der Richter führte indes unzählige, vorherige Straftaten ins Feld, darunter schwere Vergehen wie räuberische Erpressung, Betrug und mehrere Raubüberfälle. „Dabei sind sie ein unheimlich kluger Mensch“, sagte er an den Angeklagten gewandt. Auch habe er selten erlebt, dass jemand so lange Briefe ohne einen einzigen Rechtschreibfehler hinbekomme und dazu noch in sehr gutem Deutsch. „Sie hätten mehr aus Ihrem Leben machen können,“meinte der Richter. Und: Er nehme dem Angeklagten übel, dass der trotz dessen Beteuerungen, keine Straftat mehr zu begehen, immer und immer wieder straffällig werde. Zur bestehenden Haft kamen deshalb nun weitere sechs Monate hinzu.