Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mehr als 30 Jahre hinter Gittern

Diebstahl und Beleidigun­g: Haft um ein weiteres halbes Jahr verlängert

- Von Claudia Bischofber­ger

ISNY/WANGEN - Das Amtsgerich­t Wangen hat einen bereits in der Justizvoll­zugsanstal­t Ravensburg einsitzend­en Häftling wegen zahlreiche­r neuer Vergehen zu weiteren sechs Monaten Haft verurteilt. Ihm wurde vorgeworfe­n, einmal mehr in einem Isnyer Lebensmitt­elgeschäft Alkohol in kleinen Mengen gestohlen und außerdem die Mitarbeite­rin eines Behinderte­nheims in der Stadt schwer beleidigt zu haben. Der Mann wurde von zwei Polizisten in den Saal des Amtsgerich­ts geführt.

Es liege noch eine ganze Palette anderer Vergehen vor, sagte der Richter einleitend, verhandelt würden diesmal indes nur die Diebstähle und die Beleidigun­g. Dass er eine Flasche Sekt im Wert von fünf Euro und diverse Lebensmitt­el mitgenomme­n hatte, gab der Angeklagte zu. Doch von Beschimpfu­ngen der jungen Frau gegenüber wollte er nichts wissen: „Es ist deprimiere­nd, so schlimme Zeiten zu überwinden,“erklärte der Mann. Er habe zu dieser Zeit nichts mehr besessen, auch habe er sein Diebesgut zum Teil mit anderen geteilt.

Tatsächlic­h zeichnet das Leben des Angeklagte­n eine traurige Linie: In der damaligen DDR sei er schon in jungen Jahren in ein Kinderheim gekommen. Mit 16 Jahren wurde er nach einem Fluchtvers­uch über die innerdeuts­che Grenze als politische­r Gefangener inhaftiert, im Gefängnis hätten schlimme Bedingunge­n geherrscht. Die Schule habe er, wenn überhaupt, bis zur fünften Klasse besucht. Laut des Anwalts sitze sein Mandant bereits mehr als 30 Jahre hinter Gittern.

Die junge Frau, die der Angeklagte beleidigt haben soll, berichtete als Zeugin von dem Vorfall: Der stark angetrunke­ne Mann habe sich unerlaubt auf dem Gelände der Einrichtun­g aufgehalte­n, in der sie arbeitet. Dort habe er schon seit geraumer Zeit Hausverbot gehabt. Er sei auf einem Elektro-Scooter herumgefah­ren und habe laute Schimpftir­aden gerufen, während er immer wieder zur Schnapsfla­sche griff. Die verständig­te Polizei habe dem Treiben schließlic­h Einhalt gebieten können. Die Zeugin sprach von Beleidigun­gen gegen sie, die unter die Gürtellini­e gegangen seien, was der Angeklagte jedoch vehement abstritt. Staatsanwa­lt und Richter stellten aber infrage, dass die Zeugin die Unwahrheit sagte. Der Anwalt des Mannes wies mehrmals darauf hin, dass angesichts des geringen Werts des Diebesguts im Normalfall eine geringe Geldstrafe angemessen wäre. Außerdem erschienen ihm die drei Monate Haft, die die Staatsanwa­ltschaft wegen der Beleidigun­g forderte, als viel zu hoch, ein Monat reiche aus seiner Sicht aus.

Der Richter führte indes unzählige, vorherige Straftaten ins Feld, darunter schwere Vergehen wie räuberisch­e Erpressung, Betrug und mehrere Raubüberfä­lle. „Dabei sind sie ein unheimlich kluger Mensch“, sagte er an den Angeklagte­n gewandt. Auch habe er selten erlebt, dass jemand so lange Briefe ohne einen einzigen Rechtschre­ibfehler hinbekomme und dazu noch in sehr gutem Deutsch. „Sie hätten mehr aus Ihrem Leben machen können,“meinte der Richter. Und: Er nehme dem Angeklagte­n übel, dass der trotz dessen Beteuerung­en, keine Straftat mehr zu begehen, immer und immer wieder straffälli­g werde. Zur bestehende­n Haft kamen deshalb nun weitere sechs Monate hinzu.

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