Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Schreckmoment im All
Von den Raumanzügen hängt das Leben der Astronauten ab – doch diese sind veraltet
WASHINGTON/MOSKAU (dpa) - Für Astro- und Kosmonauten kann ein Raumanzug auch zur Todesfalle werden. Dabei sollte die Schutzkleidung die Raumfahrer bei ihren orbitalen Einsätzen besonders schützen. Was hat es mit der hyperfunktionellen Spezialkleidung auf sich?
Der italienische Astronaut Luca Parmitano erlebte bei einem Außeneinsatz vor fünf Jahren schlimme Momente: Erst funktionierte ein Kohlendioxid-Sensor nicht mehr, dann spürte er Wasser am Hinterkopf. Schließlich lief Wasser über sein Gesicht. Die Konsequenz: Der Einsatz wurde abgebrochen und die Raumanzüge minutiös inspiziert.
Vor 40 Jahren entwickelt
Zwar wurde wohl eine verstopfte Pumpe als Ursache genannt. Der Unfall offenbarte aber den kritischen Zustand der US-Raumanzüge, die auch von europäischen Raumfahrern wie Alexander Gerst für Außeneinsätze genutzt werden.
„Die Raumanzüge, die die Astronauten derzeit auf der ISS benutzen, wurden vor mehr als 40 Jahren entwickelt und haben ihre eigentlich auf 15 Jahre angelegte Design-Lebensdauer weit überschritten“, urteilte ein Expertenteam der US-Raumfahrtbehörde Nasa.
„Das Leben der Astronauten hängt von Raumanzügen ab, die es ihnen ermöglichen, sicher in extremen Umgebungen zu arbeiten“, heißt es in dem Untersuchungsbericht des Nasa-Generalinspekteurs. Je älter die derzeitigen Raumanzüge werden, desto größer seien auch die Risiken. Die Nasa entwickle derzeit zwar neue Anzüge, bis die testbereit seien, könne es aber noch einige Jahre dauern.
Jeder Außeneinsatz-Raumanzug, inklusive Handschuhe und Helm, wiegt rund 127 Kilogramm auf der Erde – in der Schwerelosigkeit des Alls spüren die Astronauten das Gewicht nicht.
Die Anzüge aus Hightech-Material schützen die Astronauten gegen die extremen Temperaturen. Im Weltraum kann es zwischen minus 160 kalt und mehr als 120 Grad heiß werden. Sie sind weiß, um das Sonnenlicht zu reflektieren. Gleichzeitig muss der Anzug, der aus mehr als einem Dutzend Schichten besteht, den Raumfahrer vor gefährlichen Strahlen schützen.
Das Anziehen der Anzüge dauert nach einem genauen letzten Check eine Dreiviertelstunde. Ohne Hilfe der Kollegen können die Raumfahrer diesen nicht alleine überziehen. Derzeit gebe es vier Raumanzüge an Bord der ISS, sagte Nasa-Sprecher Kyle Herring. „Von der Größe her können sie an jeden Astronauten angepasst werden. Sie stammen aus der Ära der Space Shuttles und werden nach jedem Außeneinsatz gereinigt, getestet und wiederverwendet.“
Die Russen setzen inzwischen auf ein neuwertiges Modell. Beim letzten Außeneinsatz wurden die ersten „Orlan-ISS“-Anzüge eingesetzt. Sie besitzen ein automatisches Kühlsystem. Ein Warnsystem zeigt an, wenn Flüssigkeiten austreten. Zudem sollen neue Materialien den Raumanzug länger haltbar machen, verspricht zumindest die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos. Im kommenden Jahr wird ein weiterer russischer Anzug zur ISS geliefert.
Am Dienstag sollten die zwei Kosmonauten Oleg Kononenko und Sergej Prokopjew mit den hochmodernen Anzügen im All schweben. Für beide ist es keine Premiere, sie absolvierten bereits jeweils vier beziehungsweise zwei Einsätze. Doch dieser hatte es besonders in sich: Sie sollten ein Leck an einer Raumkapsel untersuchen, das vor einigen Monaten einen Druckabfall ausgelöst hatte. Mit der Kapsel soll Gerst mit zwei Kollegen in einigen Tagen zur Erde zurückkehren.