Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Prozess gegen Kurden in Ulm
Landgericht Ulm verhandelt gegen sechs Syrer nach Brandanschlag auf Ulmer Moschee
ULM (sz) - Aus Protest gegen den Einsatz der türkischen Armee im Syrienkrieg sollen sechs Kurden einen Brandanschlag auf eine Moschee in Ulm verübt haben. Am Donnerstag begann der Prozess gegen sie. Drei der Angeklagten wird versuchter Mord mit versuchter Brandstiftung zur Last gelegt, wie das Landgericht Ulm mitteilte. Den drei anderen wird Beihilfe vorgeworfen.
ULM - Sechs Männer müssen sich nach dem Brandanschlag auf eine Ulmer Moschee im März dieses Jahres seit Donnerstag vor dem Landgericht Ulm verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft drei Angeklagten versuchten Mord und versuchte Brandstiftung vor, zwei Männer sind der Beihilfe angeklagt. Der sechste Mann soll sich mit den anderen Angeklagten zu der Tat verabredet haben. Acht Personen sollen sich zur Tatzeit in dem Gebäude aufgehalten haben. Deren Tod sollen die Angeklagten – nach eigenen Angaben im Alter zwischen 18 und 27 Jahren – nach Auffassung der Staatsanwaltschaft in Kauf genommen haben.
Molotowcocktail explodiert
Letztlich sind es Polizisten, die in jener kalten Märznacht das Leben von acht Menschen retten. Die Beamten ersticken mit den Feuerlöschern aus ihrem Streifenwagen Flammen, die an der Fassade des Wohn-, Gebetsund Geschäftshauses am Ehinger Tor in Ulm züngeln. Die Brandursache: ein explodierter Molotowcocktail. Wenig später tauchen im Internet Bilder vom Tatort auf, die allererste Zeugen mit ihren Handys aufgenommen haben. Spurensicherer der Polizei finden am Morgen einen weiteren Molotowcocktail außerhalb des Gebäudes. Schnell wird klar: Hätten die mit Benzin gefüllten Glasflaschen die Scheiben durchschlagen, wäre das Gebäude, in dem freitags bis zu 250 Gläubige beten, ein Raub der Flammen geworden und es hätte womöglich Tote gegeben. So bleibt es beim Sachschaden.
Noch am gleichen Tag übernimmt die Staatsanwaltschaft Stuttgart die Ermittlungen, weil der Verdacht besteht, dass im öffentlichen Raum eine Straftat mit extremistischem Hintergrund verübt worden sei. Wenig später sind die Verdächtigen gefasst: sechs Syrer mit kurdischen Wurzeln. Flüchtlinge, die 2014 und 2015 nach Deutschland gekommen sind und in Ulm, Neu-Ulm und im Landkreis Ravensburg wohnen.
Am Donnerstag, gut neun Monate nach jener kalten Märznacht, verliest der Erste Staatsanwalt Stefan Fahrion die Anklage. Er ist überzeugt: „Drei waren direkt an dem Brandanschlag beteiligt.“Das sei als versuchter Mord zu werten. Den anderen wirft er Beihilfe vor. Der Strafrahmen reicht bis zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe – theoretisch. Da niemand verletzt worden ist, ist wohl im Falle einer Verurteilung mit einer deutlich geringeren Strafe zu rechnen.
Im Schwurgerichtssaal ist der Vertreter der Anklage fast nicht zu verstehen. Fahrion lehnt den Vorschlag des Vorsitzenden Richters Wolfgang Tresenreiter ab, ein Mikrofon zu nutzen. Er wolle lauter sprechen. Doch immer noch ist die Geräuschkulisse durch fünf simultan übersetzende Dolmetscher so störend, dass die Zuschauer sich fragend anschauen. „Zum Tatzeitpunkt zwischen 2.30 und 3.00 Uhr in der Nacht befanden sich die Bewohner größtenteils schlafend in ihren Wohnungen“, sagt der Staatsanwalt später den Journalisten. Er ist der Ansicht, dass die Angeklagten den Tod der acht Menschen in Kauf genommen haben.
IC zum Bremsen gezwungen
Den Männern, fünf von ihnen werden aus der Untersuchungshaft an Füßen und Händen gefesselt in den Gerichtssaal gebracht, wirft die Staatsanwaltschaft neben dem Brandanschlag weiter vor, am Abend zuvor im Ulmer Hauptbahnhof Schienen besetzt und einen einfahrenden Intercity zu einer Schnellbremsung genötigt zu haben.
Vor Gericht erzählt einer der Angeklagten vom Abend des Protests und des Brandanschlags. Und er spricht über das Motiv: Gemeinsam mit anderen Kurden wollte er gegen den Einsatz der türkischen Armee im Syrienkrieg demonstrieren. Wochen zuvor hatte eine Militäroffensive im Kurden-Gebiet um Afrin begonnen.
Ein anderer Angeklagter berichtet von der Tatnacht: „Sie haben gesagt: ,Warte mal, wir möchten noch etwas machen, etwas erreichen,‘“übersetzt der Dolmetscher. Einen Benzinkanister habe einer schon zur Demo im Rucksack mit sich herumgetragen. Seine Bekannten hätten gesagt: „Wir sind verpflichtet, etwas zu machen.“Doch was? „Wir wollten etwas Türkisches verbrennen“, sagt ein 18-jähriger Angeklagter.
Das Gericht wird an weiteren 14 Verhandlungstagen bis Mai 2019 zu klären haben, wer aus der Reihe der Angeklagten welche Vorbereitungen traf, wer anstachelte, wer bremste.